Alle Jah­re wieder…Braunkohlestromeinspeisung trotz Starkwind

Von: Federl Fritz (federl‑m@t‑online.de)

Wo bleibt die Ener­gie­wen­de? – Bei star­kem Wind­strom­auf­kom­men soll­ten doch Koh­le­kraft­wer­ke weni­ger Strom pro­du­zie­ren? Denkste!

Alle Jah­re wieder….kommen nach den ers­ten Herbst­stür­men Pres­se­be­rich­te (wie am 20. Nov.2015 im Nord­baye­ri­schen Kurier – „Mehr Strom­re­ser­ve für den Win­ter“), die sug­ge­rie­ren, dass Wind­strom aus dem Nor­den den Netz­aus­bau durch HGÜs erfor­dert. Bei nähe­rem Hin­se­hen zeigt sich aber nur wie­der, dass es um Braun­koh­lestrom geht, der zeit­gleich mit Stark­wind nahe­zu unver­min­dert ins Netz ein­ge­speist wird und die Strom­ex­por­te dras­tisch erhöht:

Es wird in die­sem Arti­kel des NK berich­tet, dass die Herbst­stür­me der letz­ten Tage in Deutsch­land die Wind­strom­pro­duk­ti­on auf über 30 000 Mega­watt anstei­gen ließ, was der Leis­tung von 24 Atom­kraft­wer­ken ent­spricht. Zudem spricht man von Eng­päs­sen in den Höchst­span­nungs­lei­tun­gen von Nor­den nach Süden. Vom Netz­be­trei­ber Ten­net ist zu lesen: „Das muss man sich vor­stel­len, wie im Stra­ßen­ver­kehr. Wenn zu vie­le Autos auf der Auto­bahn unter­wegs sind, kommt es zu Stau.“ Um das Netz sta­bil zu hal­ten, habe im Süden mehr Strom als Aus­gleich für weni­ger Koh­lestrom aus dem Nor­den pro­du­ziert wer­den müssen.

Als Leser kann man sich wun­dern, dass im Nor­den kon­ven­tio­nel­le Kraft­wer­ke her­un­ter­ge­fah­ren wur­den. Das erwar­tet man doch sowie­so, wenn allein durch Wind­strom zeit­wei­se 40 % des deut­schen Strom­ver­brauchs abge­deckt wer­den. Der Ver­brauch im Süden ist näm­lich nicht gewach­sen, nur weil der Wind stär­ker weht. Dazu genügt ein Blick ins Inter­net (z.B. www.agora-energiewende.de). Es ist klar erkenn­bar, dass Braun­koh­le­kraft­wer­ke die Strom­pro­duk­ti­on in der Stark­wind­pha­se nur wenig ver­min­der­ten. Bemer­kens­wert ist zudem, dass der Strom­ex­port von sonst bereits 4000 Mega­watt auf 10 000 Mega­watt in den letz­ten Tagen anstieg.

Hier sind wir dann wie­der an dem Punkt, der m. E. in der Debat­te um den Netz­aus­bau in Deutsch­land ent­schei­dend ist:

Kri­ti­ker eines über­zo­ge­nen Netz­aus­baus wie Prof. Jarass spre­chen näm­lich von einer unnö­ti­gen Ein­spei­sung von Koh­lestrom zeit­gleich zu Stark­wind­ein­spei­sung. Deut­sche Koh­le­kraft­wer­ke (ins­be­son­de­re Braun­koh­le­kraft­wer­ke) erset­zen so die Strom­erzeu­gung in aus­län­di­schen Kraft­wer­ken. Zudem ist bekannt, dass in unse­ren Nach­bar­län­dern wegen des güns­ti­ge­ren Strom­prei­ses für Braun­koh­lestrom aus Deutsch­land Gas­kraft­wer­ke her­un­ter­ge­fah­ren wer­den. Der in Gas­kraft­wer­ken pro­du­zier­te Strom pro­du­ziert gegen­über Koh­le­kraft­wer­ken nur ca. die Hälf­te an CO2 und ist damit deut­lich weni­ger kli­ma­schäd­lich. So konn­te man schon vor Jah­ren in der Wochen­zei­tung „Die Zeit“ lesen, dass im Aus­land noch etli­che Gas­kraft­wer­ke dem bil­li­gen deut­schen Braun­koh­lestrom zum Opfer fal­len dürf­ten.

Die Bun­des­netz­agen­tur bestä­tigt die­sen Mecha­nis­mus eben­so. Im Netz­ent­wick­lungs­plan 2013 kann man lesen: „Da Koh­le­kraft zumeist zu den Erzeu­gungs­ein­hei­ten mit den gerin­ge­ren Erzeu­gungs­kos­ten gehö­ren, sind eine gleich­zei­ti­ge hohe (regio­na­le) Wind­ein­spei­sung und eine hohe Ein­spei­sung aus Koh­le­kraft­wer­ken durch­aus mög­lich. Sind im Aus­land teu­re­re Kraft­wer­ke im Ein­satz, wer­den die­se bis zur voll­stän­di­gen Aus­nut­zung der Han­dels­mög­lich­kei­ten eben­falls redu­ziert.“

Ange­sichts die­ser Sach­la­ge scheint mir die Kri­tik zutref­fend zu sein, dass ins­be­son­de­re der Bau der HGÜ-Lei­tung Süd-Ost haupt­säch­lich den Export­in­ter­es­sen der deut­schen Braun­koh­le­indus­trie dient.

Aller­dings habe ich wenig Hoff­nung, dass sich in Deutsch­land in nächs­ter Zeit etwas ändern wird. Die Koali­ti­ons­ver­ein­ba­run­gen zur Ener­gie­wen­de im Juli haben klar gezeigt, dass die „Hei­li­ge Kuh“ Braun­koh­le­ver­stro­mung in Deutsch­land nicht ange­rührt wer­den soll – und so wird Deutsch­land (aber war da nicht etwas mit Kli­ma­wan­del, 2‑Grad-Ziel…egal) auch wei­ter­hin von einem Strom­ex­port­re­kord zum nächs­ten jagen.

8 Gedanken zu „Alle Jah­re wieder…Braunkohlestromeinspeisung trotz Starkwind“

  1. Dan­ke, Fritz Federl für die­sen Bei­trag, der alles auf den Punkt bringt. Bei der ener­gie­po­li­ti­schen Infor­ma­ti­ons­fahrt kürz­lich , an der eini­ge Tras­sen­geg­ner teil­nah­men, wur­de uns wie­der mal bestä­tigt, dass Koh­le­kraft­wer­ke kei­ne ech­te Reser­ve dar­stel­len, son­dern immer zumin­dest zu 30% lau­fen müs­sen. Sie benö­ti­gen eine Vor­lauf­zeit von ca. 10 Tagen, wenn ich das rich­tig erin­ne­re. Die­ses “Hartz IV” für alte Koh­le­kraft-Dreck­schleu­dern, die in aller­nächs­ter Zeit vom Netz gegan­gen wären, kommt den Koh­le­kon­zer­nen wie RWE gera­de recht. Und der Strom­han­del bedeu­tet zusätz­lich ein Plus. Prof. Jarass hat auch kürz­lich ein Gut­ach­ten erstellt, das den Süd­Link für über­flüs­sig erklärt, mit ganz ähn­li­chen Begründungen.

    1. Klei­ne Ergän­zung: Die Infor­ma­ti­ons­fahrt ging nach Ber­lin, die Aus­sa­gen zu den Koh­le­kraft­wer­ken wur­den bei unse­rem Besuch im Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um getrof­fen, von den anwe­sen­den Referenten

  2. Vie­len Dank an Fritz Federl für die­sen Beitrag.

    Er zeigt, dass wir in 3 Punk­ten mas­siv ver­arscht werden:

    (1) Da die Strom­händ­ler weder Kos­ten für den Trans­port von Strom noch für den Trans­port­ver­lust tra­gen müs­sen, ist es für sie wirt­schaft­lich, Strom für hun­der­te von Kilo­me­tern zu trans­por­tie­ren, wenn sie dabei auch nur mini­mal güns­ti­ger ein­kau­fen kön­nen als beim Kraft­werk ums Eck.

    (2) Die unge­brems­te Ein­spei­sung von Koh­lestrom zu Stark­wind- und Son­nen­zei­ten führt zu einem Über­an­ge­bot an Strom und zu einen Ver­fall der Prei­se an der Strom­bör­se. Eine Win-Win-Win-Lose-Situation:

    WIN: Die gro­ßen, strom­fres­sen­den Unter­neh­men freut der güns­ti­ge Strom, denn sie kau­fen oft­mals direkt an der Strom­bör­se und zah­len kei­ne (oder nur gerin­ge) Lei­tungs­ge­büh­ren und kei­ne EEG-Umlage.

    WIN: Die Wind­an­la­gen­be­trei­ber freut es, erhal­ten Sie doch jeder­zeit die lukra­ti­ve und garan­tier­te Ein­spei­se­ve­gü­tung, die weit über dem Bör­sen­preis liegt.

    WIN: Die Koh­le­kraft­wer­ke spei­sen mit Freu­de ein, so lan­ge der Bör­sen­preis über ihren nied­ri­gen Grenz­kos­ten liegt. Jede wei­te­re kWh bringt Deckungsbeitrag.

    LOSE: Beim Ver­brau­cher kom­men die güns­ti­gen Bör­sen­prei­se nicht an, da sein Ver­brauchs­preis in mit­tel­fris­ti­gen Ver­trä­gen fest­ge­legt ist. Er kann nur auf eine zukünf­ti­ge Preis­sen­kung HOFFEN (LOL). Aller­dings muss er die Dif­fe­renz zwi­schen der garan­tier­ten Wind­strom-Ver­gü­tung und dem an der Bör­se erziel­ba­ren, nied­ri­gen Preis als EEG-Umla­ge tra­gen. Die ange­fal­le­nen Beträ­ge wer­den gesam­melt und dar­aus die Höhe der nächst­jäh­ri­gen EEG-Umla­ge pro kWh ermit­telt. Nied­ri­ge Bör­sen­prei­se füh­ren zu hoher EEG-Umlage.

    (3) Die Mons­ter­tras­sen die­nen nicht der Ver­sor­gungs­si­cher­heit Bay­erns – denn auch ohne sie gehen die Lich­ter in Bay­ern nicht aus. Son­dern sie die­nen im wesent­li­chen dem euro­pa­wei­ten, kos­ten­lo­sen Strom­han­del und ‑trans­port. Die EU bekennt ganz klar, dass es sich bei den Mons­ter­tras­sen um PCIs han­dels, d.h. “Pro­jects of Com­mon Interest”.
    Da hat vor allem die EU ein Inter­es­se dar­an. Und der deut­sche Ver­brau­cher zahlt. 🙁

  3. Sehr geehr­ter Herr Federl,

    lei­der ist Ihre Aus­sa­ge nicht rich­tig. Schau­en Sie doch ein­mal auf die­se Sei­te des Fraunhofer-Instituts:
    https://energy-charts.de/power_de.htm
    Wenn Sie dann in der lin­ken Spal­te mal den Novem­ber 2015 ein­ge­ben und dann auf “alle Quel­len” kli­cken, bekom­men Sie eine Zusam­men­stel­lung der Wind­er­zeu­gung in Deutsch­land. Und dort kön­nen Sie sehr deut­lich erken­nen, dass in Zei­ten hoher Wind­ein­spei­sung die Braun­koh­le­ver­stro­mung redu­ziert wird, teil­wei­se sogar schon die Atomstromproduktion.

    1. Sehr geehr­ter Herr Solfanger,

      die von Ihnen ange­führ­ten Gra­fi­ken zei­gen doch eines sehr deut­lich: Braun­koh­lestrom wird selbst ohne Wind und Son­ne im Maxi­mum mit ca. 18 bis 19 GW ein­ge­speist. Aber bei Stark­wind­ein­spei­sung von 25 bis 30 GW lau­fen die Braun­koh­le­kraft­wer­ke immer noch mit ca 13 bis 14 GW.

      Auch wenn ein kom­plet­tes Her­un­ter­fah­ren wegen hoher Anfahr­kos­ten wirt­schaft­lich nicht sinn­voll ist, so wäre ein stär­ke­res Dros­seln jeder­zeit mög­lich – aber das ist natür­lich nicht im Sin­ne eines EVUs – nur mit einem Kraft­werk das läuft, lässt sich Geld ver­die­nen. Zudem besteht der gesetz­li­che Anspruch, jeder­zeit die Strom­au­to­bah­nen zu benutzen.

      Wenn also bei Stark­wind gera­de mal eini­ge GW Braun­koh­lestrom weni­ger ein­ge­speist wer­den, weil mit dem dre­cki­gen, bil­li­gen Braun­koh­lestrom im Aus­land immer noch gutes Geld zu ver­die­nen ist, dann zeigt das doch, dass die Ener­gie­wen­de auf hal­bem Wege ste­cken­ge­blie­ben ist. Oder wie sag­te ein ehe­ma­li­ger Wirt­schafts­mi­nis­ter: Deutsch­land hat nur den Atom­aus­stieg beschlos­sen, nicht aber den Kohleausstieg.

      1. Sehr geehr­ter Herr Federl,

        da gebe ich Ihnen voll­kom­men recht, aber in ihrem ers­ten Bei­trag auf die­ser Sei­te fan­gen Sie damit an, dass bei Stark­wind kein Braun­koh­lestrom run­ter­ge­re­gelt wird. Das woll­te ich korrigieren.
        Und wenn die Ener­gie­wen­de wei­ter­ge­hen wür­de und noch mehr Wind­kraft ein­ge­speist wür­de, bzw. auch in Bay­ern mehr Wind­strom pro­du­ziert wür­de, könn­te man die Braun­koh­le­kraft­wer­ke immer mehr aus dem Markt drängen.

        1. Sehr geehr­ter Herr Solfanger, 

          genau das ist aber poli­tisch nicht gewollt. Und des­halb wer­den die HGÜ-Tras­sen gebaut.
          Aus­ser­dem wird die Wind­ener­gie vor­zugs­wei­se in das Nied­rig- und Mit­tel­span­nungs­netz ein­ge­speist. In die­se “Strom­au­to­bah­nen” (Höchst­span­nungs­netz) wird neben Koh­le auch und vor allem Atom­strom unse­rer Nach­barn durchfließen. 

          Der Wind­strom vom Nor­den muss sicher­lich nicht nach Süden abtrans­por­tiert wer­den. 3 AKWs wer­den in den nächs­ten Jah­ren noch in Nord­deutsch­land abge­schal­tet. Viel­leicht gibt es dann dort auch eine “angeb­li­che Ver­sor­gungs­lü­cke” und es wird ein Ener­gie­dia­log nach Aigner’schen Vor­bild ins Leben gerufen?

          Aber selbst Frau Mer­kel weiss ja: “… das der gesam­te Wind­strom von Nor­den nach …” 

          Wer möch­te da der Kanz­le­rin wider­spre­chen, die in “die­ser Sache gut mit Herrn Gabri­el zusammenarbeitet”?

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