Ver­fas­sungs­kla­ge gegen den Atom­aus­stieg mit allen Geg­nern der dezen­tra­len Energiewende

In Karls­ru­he begann heu­te der Auf­takt beim Ver­fas­sungs­ge­richt zur Kla­ge der Ener­gie­kon­zer­ne E.ON, RWE und Vat­ten­fall gegen den Atom­aus­stieg in Deutsch­land. Dabei wur­de unter ande­rem mäch­tig auf die Trä­nen­drü­se gedrückt.

Den Vor­stands­vor­sit­zen­den der E.ON AG sah man im Fern­seh­in­ter­view die sal­bungs­vol­len Wor­te spre­chen, die Kern­ener­gie gehö­re der Ver­gan­gen­heit an. Auch ein RWE Vor­stand sag­te, es gehe „nicht um das Ob, son­dern um das Wie“ (hat er die­se Wor­te von Staats­se­kre­tär Pschie­rer vom Ener­gie­dia­log 2.0 abge­kup­fert?) des Kern­ener­gie­aus­stiegs. Klei­ne Wölf­chen im Schafspelz.

Es gehe doch den Ener­gie­kon­zer­nen ein­fach nur um „Gerech­tig­keit“, „Fair­ness“ und „Ver­trau­en in den Rechts­schutz“. Den sehen sie beim Atom­aus­stieg nach Fuku­shi­ma nicht gege­ben und das ist ihnen eine 19 Mrd. Scha­dens­er­satz­kla­ge wert. Vat­ten­fall ist kein deut­sches Unter­neh­men und klagt des­halb zusätz­lich auf 4,7 Mrd. vor einem Schieds­ge­richt in den USA (TTIP lässt grü­ßen!) gegen den deut­schen Atom­aus­stieg. Dazu muss man anmer­ken, dass die Ener­gie­kon­zer­ne bereits 2010 den Aus­stieg vom Aus­stieg durch frucht­ba­re Lob­by­po­li­tik und Ängs­te schü­ren vor einer „Ver­sor­gungs­lü­cke“ (kommt das jemand im Zusam­men­hang im Jahr 2016 mit dem angeb­li­chen not­wen­di­gen HGÜ-Tras­sen­bau bekannt vor?) erfolg­reich geschafft hat­ten! Also ohne die­se schwarz-gel­be Atom-Poli­tik 2010 hät­ten wir die­ses Kas­perl­thea­ter heu­te gar nicht! So kann man die Welt auch ver­dre­hen, Herr Dr. Teyssen!

Als „Deal“ wird übri­gens kol­por­tiert, dass die Ener­gie­kon­zer­ne eine außer­ge­richt­li­che Eini­gung mit der Bun­des­re­gie­rung anstre­ben. Ziel ist die Decke­lung der 38,5 Mrd. für den Rück­bau durch die vier gro­ßen Ener­gie­kon­zer­ne, die­se soll­ten hin­ge­gen die Atom­aus­stiegs­kla­ge fal­len las­sen. Das wäre für die Ener­gie­kon­zer­ne sehr fein, denn die 38,5 Mrd. wer­den nicht ein­mal für den Rück­bau der AKWs in Deutsch­land rei­chen. Die Atom­müll­la­ge­rung dürf­te min­des­tens noch­mal so viel kos­ten, für die dann allei­ne der Steu­er­zah­ler auf­kom­men soll. Wenn man dann noch betrach­tet, dass vier Jahr­zehn­te Sub­ven­tio­nen in Höhe von ca. 200 Mrd. geflos­sen sind und Mini­mum noch ein­mal das Dop­pel­te mit Kern­ener­gie ver­dient wur­de, fragt man sich schon, war­um da nur 38,5 Mrd. für den Rück­bau und End­la­ge­rung vor­han­den sind? Eine Idee könn­te das Mot­to sein: Gewin­ne kapi­ta­li­sie­ren – Kos­ten sozia­li­sie­ren. Das haben sich Dr. Teys­sen und Co. pri­ma ausgedacht.

Man darf auch nicht ver­ges­sen, dass es bereits eine mil­li­ar­den­schwe­re Kom­pen­sa­ti­on mit dem HGÜ-Tras­sen­bau und den erfor­der­li­chen Auf­rüs­tun­gen der 220kV Wech­sel­strom­lei­tun­gen gibt. Allei­ne die drei HGÜs kos­ten in Frei­luft­bau­wei­se 22 Mrd., in kom­plet­ter Erd­ver­ka­be­lung min­des­tens das drei­fa­che, also 66 Mrd. Euro (Kon­sens beim Aigner­schen Ener­gie­dia­log). Gebaut wer­den die­se Lei­tun­gen rein für den euro­päi­schen Strom­han­del mit Atom- und Koh­lestrom. Die Inves­to­ren erhal­ten siche­re 9,05% Eigen­ka­pi­tal­ren­di­te, aus­be­zahlt von der Bun­des­netz­agen­tur aus Steu­er­mit­teln. Ein beacht­li­cher Zins­satz, in einem risi­ko­lo­sen Oli­go­pol­markt, ohne Kon­kur­renz und bei einer Null-Zins­po­li­tik der euro­päi­schen Zen­tral­bank. Und war da nicht auch etwas von „Ent­eig­nung, Fair­ness und Ver­trau­en in den Rechts­schutz?“ Wo bleibt die­ser, wenn die Anrai­ner an den Gleich- und Wech­sel­strom­lei­tun­gen über Nacht nur noch die Hälf­te an Grund­stücks­wert haben? Zugleich mit der Null-Zins­po­li­tik auch nichts mehr für ihre Alters­vor­sor­ge an Ren­di­te erzie­len kön­nen, aber gleich­zei­tig den gro­ßen Ener­gie­kon­zer­nen die Lei­tun­gen für den inter­na­tio­na­len Han­del mit Atom-und Koh­lestrom bezah­len dür­fen? Hört die­ser Wahn­sinn denn nie auf? Bekom­men die Kon­zer­ne nie genug, wie lan­ge noch will man die Strom­kun­den über Steu­er­mit­tel und Netz­ent­gel­te noch schröpfen?

Das Schlim­me ist, dass auch heu­te wie­der in Karls­ru­he Par­tei­en- und Staats­ver­tre­ter ver­tre­ten sind, die nur pro for­ma den Ener­gie­kon­zer­nen Paro­li bieten.

  • Wolf­ram König, Prä­si­dent des Bun­des­am­tes für Strah­len­schutz, kennt sehr wohl die Gefah­ren des Lei­tungs­baus (z.B. erhöh­tes Leuk­ämie­ri­si­ko), möch­te aber den Tras­sen­bau nicht ver­zö­gern, son­dern nur mit ent­spre­chen­den Stu­di­en die Bür­ger beruhigen:

http://www.stromtrasse1601.de/index.php/Thread/574-Politische-Bankrotterkl%C3%A4rung‑f%C3%BCr-den-Gesundheitsschutz-beim-Stromnetzausbau/?postID=911#post911

  • Oli­ver Kri­scher (Grü­ner und RWE-Lob­by­ist, das geht heut­zu­ta­ge bei­des, das nennt man dann Green­wa­shing oder auch Schäf­chen ins Tro­cke­ne brin­gen) ist in Karls­ru­he auch mit von der Partie:

http://www.rwe.com/web/cms/de/1701578/rwe/verantwortung/akzeptanzstudie/expertenstimmen/oliver-krischer/

Den Atom­aus­stieg pre­di­gen, um sich dann wie­der vor den Kar­ren der Ener­gie­kon­zer­ne span­nen zu las­sen und den Atom­aus­stieg und die dezen­tra­le Ener­gie­wen­de durch HGÜ-Tras­sen zu kon­ter­ka­rie­ren. Unglaublich!

  • Achim Zer­res, Abtei­lungs­lei­ter Bun­des­netz­agen­tur, saß heu­te in Karls­ru­he im Publi­kum, man fragt sich nur, war­um? Reicht es nicht aus, dass wir die hohen zwei­stel­li­gen Mil­li­ar­den­bei­trä­ge für den Tras­sen­bau mit einer 9,05% Eigen­ka­pi­tal­ren­di­te aus Steu­er­mit­teln refi­nan­zie­ren? Müs­sen es auch noch mit Steu­er­geld finan­zier­te Aus­flü­ge nach Karls­ru­he sein?
  • Umwelt­mi­nis­te­rin Bar­ba­ra Hendricks:
    Aus­sa­ge am 11. März 2016: “Unse­re Nach­barn inves­tie­ren nicht mehr neu in die Kern­ener­gie” – in der Tat, mit alten AKW Mei­lern, die noch Jahr­zehn­te in unse­ren Nach­bar­län­dern lau­fen wer­den, lässt sich pri­ma Geld ver­die­nen. Und die Rah­menstra­te­gie der Euro­päi­schen Ener­gie­uni­on, die an der Kern­ener­gie in Euro­pa fest­ge­hal­ten wird, scheint sie auch nicht zu ken­nen. Abge­se­hen von Deutsch­land steigt in Euro­pa nie­mand aus der Kern­ener­gie aus, das Gegen­teil ist der Fall. Dafür braucht es die HGÜ-Lei­tun­gen, die die gro­ßen Ener­gie­kon­zer­ne für den Strom­han­del mit Atom- und Koh­lestrom wol­len, die uns dann wie­der­um in Deutsch­land als not­wen­dig für die Ener­gie­wen­de ver­kauft wer­den. Wie armselig.

Mir wird regel­recht unwohl, wenn ich die­se geball­te Kom­pe­tenz auf der Gegen­sei­te zu den mit allen Was­sern gewa­sche­nen Kon­zern­stra­te­gen sehe und reden höre. Von dem Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, bzw. den Deal, den man vor­her ein­ge­hen wird, erwar­te ich mir wie­der nur ein Scheck­buch, das der Steu­er­zah­ler zücken muss.

Ein Gedanke zu „Ver­fas­sungs­kla­ge gegen den Atom­aus­stieg mit allen Geg­nern der dezen­tra­len Energiewende“

  1. Ich habe die Kro­ko­dils­trä­nen in der Nach­rich­ten­er­stat­tung gese­hen. Danach könn­te man als unin­for­mier­ter Bür­ger glau­ben, die Aktio­nä­re, die durch den Atom­aus­stieg Ver­lus­te haben, sind alles arme Rent­ner, denen man die letz­ten Gro­schen wegnimmt.
    Als ob nicht hin­rei­chend bekannt ist, wie man sich auf Kos­ten des Steu­er­zah­lers und eben der armen Rent­ner mehr­fach die Taschen füllt, natür­lich mit dem Segen der Regie­rung. Es könn­te einem kotz­übel wer­den. Lei­der gleicht die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung einer gro­ßen Schaf­her­de, wie sonst kann man es sich erklä­ren, dass das alles so wider­stands­los gedul­det wird.
    Wolf­gang Kohl

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