Am 22. März 2018 gab Minister Altmaier (CDU) im Bundestag per Regierungserklärung zu Protokoll: „Ich verspreche Ihnen: Wenn ich ein halbes Jahr im Amt bin, werde ich jede problematische Leitung persönlich kennen und besucht haben.“ (S. 1984)
Dies haben zahlreiche Bürgerinitiativen und lokale Politiker an den verschiedensten geplanten Trassen in Deutschland zum Anlass genommen, sich im Bundeswirtschaftsministerium zu melden. Die Aussage einer Ministeriumssprecherin laut einem Anschreiben an das Aktionsbündnis war: „Ja, es ist richtig, dass der Minister dies gesagt hat. Die Frage möglicher Gespräche zu einzelnen Netzausbauvorhaben vor Ort wird derzeit im Ministerium geprüft, d.h. es wird geschaut, welche Leitungen und Regionen hier besucht werden können.“
In Folge kam es zu zahlreichen Einladungen aus den Netzausbaugebieten. Bei einem Besuch im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin hatten Vertreter des Aktionsbündnisses gegen die Süd-Ost-Trasse kürzlich nachgehakt, was aus dem Versprechen geworden ist. Zeit nehmen für dieses Thema konnten sich die Vertreterinnen des Bürgerdialogs trotz unserer Vorankündigung nicht. Zugegeben wurde, dass Minister Altmaier sein Versprechen, „jede problematische Leitung persönlich“ kennenzulernen, nicht wird einhalten können.
Die Kommunikation mit den bayerischen Trassengegnern ist eingestellt
Was ebenfalls nicht vergessen werden sollte, ist dieses öffentliche Statement von Thomas Bareiß, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium: „Wir werden uns den umstrittenen Projekten vor Ort stellen“. Man wolle „aus der Komfortzone raus gehen“; man organisiere Veranstaltungen, gehe auf die Menschen vor Ort zu, so die Behauptung. Dies ist jedoch schlicht nicht wahr. Die Veranstaltungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) finden überwiegend in Frankfurt, Bonn oder Berlin statt. Und auch die fragwürdigen Infomobile des Bürgerdialogs Stromnetz machen einen großen Bogen um Gebiete mit hohem menschlichem Raumwiderstand. Einladungen in die betroffenen Regionen werden von Übertragungsnetzbetreiber Tennet sowie der BNetzA immer wieder abgesagt oder abgelehnt.
In einem offenen Brief vom 08.07.2018 hat das Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse Minister Altmaier erneut darum gebeten, sein Versprechen einzulösen und auch Termine in Bayern anzusetzen. Allein in Bayern gibt es zahlreiche Projekte, die für große Unruhe in der Bevölkerung sorgen: Südostlink, Südlink, Ostbayernring, P43, P44/P44mod, um nur einige zu nennen. Auf diesen Brief haben wir noch immer keine Antwort erhalten.
Eine öffentlich wahrnehmbare “Tour de Stromtrassen” wäre zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, der zeigen würde, dass es Herrn Minister Altmaier tatsächlich daran gelegen ist, ein gegebenes Versprechen zumindest in Ansätzen einzulösen. Erkennbar wäre dann auch, dass die Verantwortlichen bereit sind für öffentliche Gesprächstermine nicht nur in Hinterzimmern, die den zahlreichen Betroffenen in den Netzausbaugebieten auch bereitwillig kommuniziert werden.
Was nun laut dpa als „Netzausbaureise“ angepriesen wird, hat mit dem im Bundestag gegebenen Versprechen des Ministers wenig zu tun – die Kommunikation mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ist offensichtlich lediglich eine Randnotiz, im Vordergrund stehen Termine mit den Befürwortern des Netzausbaus auf Seiten der Planer und Unternehmen: „Geplant sind demnach unter anderem Gespräche bei der Bundesnetzagentur in Bonn, der Besuch eines Gaskraftwerks in Köln sowie eines Konverters für Strom aus Windkraft auf See in Emden. Altmaier will daneben zum Beispiel eine Erdkabel-Baustelle besuchen und auch Bürgergespräche führen.“
Wir stellen fest:
- Einen Kohleausstieg gibt es nicht, aber für die nicht vorhandene Energiewende wird ein beschleunigter Trassenbau angestrebt. „Solange unklar ist, ob im Jahr 2030 Kohlekraftwerke mit einer Leistung von null oder über 30 Gigawatt Leistung betrieben werden und die Spannweite der erneuerbaren Erzeugungsleistung bei 150 bis 220 Gigawatt liegt, kann eine sachgerechte Netzplanung kaum gelingen”, ist sogar die aktuelle Einschätzung von bekennenden Trassenbefürwortern des Öko-Institutes.
- In unseren Augen konterkarieren die derzeitigen Netzausbaupläne eine echte Energiewende unter Berücksichtigung der Klimaziele mit einem zeitnahen Kohleausstieg. Geplant ist dagegen ein europäisches Stromhandelsnetz mit konventionellem Strom.
- Die Mitspracherechte der Bürgerinnen und Bürger beim Thema Netzausbau werden nicht berücksichtigt. Es besteht die große Gefahr, dass die Rechte bei einer weiteren Beschleunigung des Netzausbaus weiter eingeschränkt werden.
- Die Proteste an den Trassen werden totgeschwiegen. Die viel zitierte Bürgerbeteiligung und Transparenz bei der Projektplanung besteht nur auf dem Papier.
- Für den massiven Netzausbau sehen wir keinen gesellschaftlichen Konsens. Für eine dezentralere Energiewende mit Schwerpunkt auf regionaler Wertschöpfung hingegen schon.