Seit dem Ende des Energiedialogs sind viele enttäuscht. Hatten doch alle auf eine eindeutige Lösung bei der Trassenfrage gewartet. Wie wir alle wissen, war alles was dabei herauskam die Aussage “2‑x”. Weder Trassengegner, noch ‑befürworter oder auch die Presse weiß was das bedeuten soll.
Jeder hätte sich wohl ein klares Statement erwartet, wie Bayern weiter vorgeht.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kümmert es sowieso wenig, wenn das Volk mitreden darf, diesen Eindruck habe ich mittlerweile. Der Energiedialog ist ihm völlig egal. Zu Gabriel will ich mich hier nicht weiter äußern, denn fehlende Sachlichkeit will ich mir auch von meinen Mitstreitern nicht vorwerfen lassen. Einen Satz kann ich mir aber nicht verkneifen. Die Bezeichnung Politiker oder Lobbyist wissen manche nicht zu unterscheiden, Volksvertreter oder Machtbesessener das ist hier die Frage.
Das die Stromautobahnen in erster Linie dem europäischen Stromhandel dienen sollen, wird immer wieder offen und lautstark herausposaunt. Warum hört das keiner? Der Trassenstreit weitet sich jetzt sogar auf die europäische Ebene aus. EU-Kommissar Cañete äußerte sich in der Presse mit den Worten “Die deutschen Stromautobahnen wurden von der EU-Kommission als europäisches Projekt von gemeinsamem Interesse eingestuft (…) Obwohl es sich um innerdeutsche Leitungen handelt, haben sie einen direkten Einfluss auf andere EU-Länder.” Der schnelle Bau sei “wichtig für den Aus- und Aufbau eines europaweiten Stromnetzes” und damit auch “für die Umsetzung des EU-Energiebinnenmarktes mitsamt der Integration von erneuerbaren Energien” (www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/stromtrassen-eu-kommissar-canete-kritisiert-verzoegerung-a-1020623.html). Für mich liest sich das wie Stromhandel und nicht wie Versorgungssicherheit.
Die Presse geht in den letzten Wochen verstärkt auf Bayern los. Den stärksten Attacken ist dabei Horst Seehofer ausgesetzt, er bekommt am meisten Prügel ab. Als Blockierer der Energiewende wird er bezeichnet.
- green.wiwo.de/zaudern-statt-regieren-wie-bayern-energiewende-verschleppt/
- www.sueddeutsche.de/bayern/energiewende-bayerns-lange-leitung‑1.2331870
Seehofer hat im Jahr 2013 das Gesetz zum Bau der Trassen mit unterzeichnet, das stimmt. Aber ist er ein Blockierer, weil er eingesehen hat, dass es ein Fehler war das Gesetz zu unterschreiben? Seehofer ist, was die Trassen betrifft, jetzt schlauer als 2013 und Seehofer hat den Mut, seine neue Position auszusprechen.
Es ist leicht, auf die Argumente der Trassenbefürworter hereinzufallen, scheint es doch logisch, dass der saubere Windstrom von der Nordsee in den Süden gebracht werden muss. Alle sind sich einig, wir alle wollen die Energiewende vorantreiben, mit einem schnellen Atom- und Kohleausstieg. Aber muss die Energiewende auf biegen und brechen, im Interesse der alten Machtverhältnisse und “gegen den erbitterten Widerstand der Bürger” (*Zitat von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke): http://www.sueddeutsche.de/news/wirtschaft/energie-ramelow-beschwert-sich-bei-merkel-ueber-seehofer-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101–150210-99–01613) durchgeboxt werden?
Natürlich besteht die Energiewende aus mehr als der Trassenfrage, genau genommen dürfte es überhaupt keine Trassenfrage geben. Denn es sollte eindeutig klar sein, ob Trassen unbedingt gebraucht werden oder nicht. Wir befinden uns aber an einem Punkt, an dem es genügend stichhaltige Argumente gibt, dass zum Beispiel die Süd-Ost Passage nicht gebraucht wird.
Dezentral und regenerativ, so sieht für mich eine vernünftige Energiewende aus. Wenige Trassen stärken das zentralisieren und damit die Angreifbarkeit. Wofür brauche ich vor Ort noch regenerative Energiequellen wenn riesige Trassen den Strom aus weit entfernten Regionen herholen?
Die schön klingenden Argumente der Trassenbefürworter hören sich verlockend an, leider ist die Sachlage aber nicht so einfach. Beschäftigt man sich näher mit der Thematik lassen sich diese Argumente schnell entkräften. Seit über einem Jahr versuchen wir hier Aufklärung zu leisten. Der Hinweis auf das Argumentationspapier darf an dieser Stelle nicht fehlen, dort ist die Thematik über die Notwendigkeit der Trasse in kurzer oder ausführlicher Form erklärt.
Jeder, der auf die bayerische Haltung schimpft, sollte sich einmal Fragen, ob er sich schon beide Seiten der “Trassenkämpfer” angehört hat. Hier wird sich sicher der ein oder andere an die Nase fassen müssen und zugeben, dass er zu leichtgläubig dem Geschwätz der falschen gefolgt ist.
Die Slogans der Trassenbefürworter, d. h. der Geschäftemacher und ihrer Unterstützer aus den Kreisen der Politiker sind wirklich sehr “eingängig” in die Denkweise der oberflächlich recherchierenden Presseleute, und diese verbreiten die einfachen Thesen wie “Windstrom aus dem Norden in den verbrauchsintensiven Süden” “Blockade der Energiewende durch Seehofer” und andere mehr, bundesweit. Leute, die alles glauben, was in der Zeitung steht, glauben auch das. Ganz neu dazugekommen ist jetzt die These von Sigmar Gabriel im Grünbuch, dass “Versorgungssicherheit in einem europäischen Strommarkt nicht nur national buchstabiert werden kann. Es besteht sonst die Gefahr, dass nationale Regelungen zu einer Zersplitterung des europäischen Strommarktes führen.” Ja wo ist denn da das Kriterium der Energiewende in Deutschland und der Versorgungssicherheit für Bayern und zusätzlich die Gefahr der zwei Preiszonen? Das wurde bis dato doch immer wieder vorgebracht. Zählen diese Aussagen nicht mehr oder wurden sie endgültig widerlegt?
Wie hätten Sie´s denn gerne, Herr Gabriel?
Wahrscheinlich ist die angeblich drohende Zersplitterung des europäischen Strommarktes jetzt das Hauptargument für das künftige Strommarktdesign und damit für die Trassen. Das erinnert mich fatal an die Slogans der Autofahrerpartei (gab es tatsächlich mal als politische Gruppierung). In den frühen achtziger Jahren hieß einer davon “Freie Fahrt für freie Bürger”, die etwas älteren Semester werden sich noch erinnern. Jetzt heißt es wohl mit höchstministerlicher Billigung “Freie Fahrt für freien Strom, egal welchen Ursprungs”. Ja da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!