Georg Stumpf Dipl.Ing.(FH) <GStumpf@gmx.net>
Den Bürgern wird in Berichten immer wieder vorgegaukelt, dass grüner, billiger Windstrom zur Versorgungssicherheit Bayerns vom Norden in den Süden transportiert werden muss und dafür der Bau von HGÜ-Stromtrassen notwendig ist. Den Trassengegnern wird vorgehalten, dass sie die Energiewende blockieren. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind für die Wende, aber genau dafür müssen die großen HGÜ-Trassen verhindert werden.
Am 26.April 2014 hat die Bundesregierung die Rahmenbedinungen der Energiewende mit der neuen EEG-Novelle, schwerwiegend verändert. Regenerative Energien wie Windräder an Land und Solarstrom wurden entgegen früherer Ausbauziele „gedeckelt“. Der „atmende“ Deckel verhindert den weiteren großtechnischen Ausbau dieser mitlerweile kostengünstigen regenerativen Energieformen. Stattdessen wurden die Weichen für neue große Offshore Windparks gestellt. Während die regenerative Stromerzeugung an Land jetzt schon für 7–10 Cent/KWh zu haben wäre, setzt man jetzt auf Windparks für Großinvestoren die mit 19,4 Cent/KWh gefördert werden, staatlich garantiert, vom Stromkunden bezahlt. Natürlich zahlen da die Stromintensiven Betriebe und fast das ganze produzierende Gewerbe nicht mit.
Hierzu eine für alle nachvollziehbare Berechnung, die eine Vorstellung von der Größenordnung der Kosten geben soll:
Die Geplante Kraftwerksleistung der Offshore-Windmühlen in Deutschland bis 2020 beträgt ca. 6,5 GW, bis 2030 ca.15 GW. Diese Anlagen sind entweder schon alle im Genehmigungsverfahren oder bereits genehmigt.
Bei anzunehmenden 4000 Stunden*1 pro Jahr Volllast Betriebszeit ergibt dies bis 2020 ca. 26 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2020 an jährlicher Stromproduktion, ausgeschrieben 26 000 000 000 KWh bis 2030 dann ca. 60 TWh jährliche Stromproduktion aus Offshore Windkraft. Dies entspricht etwa 4 bis 10% des deutschen Strommixes.
Die Offshore Windkraft wird mit ca. 19,4 Cent pro KWh*³ vergütet, (8 Jahre lang oder mit 15,4 Cent/KWh 12 Jahre).*² Der Strompreis betrug 2014 auf der Leipziger Strombörse ca. 3,3 Cent/KWh. Die Förderung wird auch in den Jahren nach 2020 nur geringfügig reduziert. Der garantierte Förderzeitraum kann sich je nach technischen Schwierigkeiten noch um einige Jahre verlängern. Ich rechne bis 2030 mit einem durchschnittlichen Offshore Strompreis von ca. 17 Cent/KWh, bei Onshore und Solar rechne ich mit durchschnittlich 6 Cent bis 2030. Das bedetet, das hier eine Differenz von durchschnittlich 11 Cent/KWh aufläuft, was in Euro ausgeschrieben ca. 60 Milliarden € Zusatzkosten für den Stromkunden bedeutet. Stromproduktion aus Offshore von 2015 bis 2030 ca. 540 TWh.
Für den durchschnittlichen Stromkunden (3500 KWh/Jahr) bedeutet dies 25.- Euro in 2020 und 70.-€ in 2030, Aufschlag zur jährlichen Stromrechnung – nur für Offshore statt Onshore Strom. Die Energiewende wäre auch mit Onshore zufrieden, die Großinvestoren allerdings können nur bei Offshore verdienen.
Momentan zahlt der Kunde ca. 6,2 Cent pro KWh, also ca. 220.-€ im Jahr für die EEG Umlage.
Die Trassenbaukosten von 20 bis 40 Milliarden €, mit staatlich garantierter Rendite von 7–9% der Investitionskosten pro Jahr, kommen über die Netzkosten bei der Offshore Variante auch noch dazu.
Soviel zum billigen Offshore Windstrom.
Gaskraftwerke (GUD) haben Stromgestehungskosten (zusammengesetzt aus Kapital‑, Brennstoff- und CO2-Kosten) von 7 bis 10 Cent pro KWh, das ist nur minimal höher als die Gestehungskosten bei neuen Steinkohlekraftwerken. Eine minimale Förderung von 1 bis 2 Cent pro KWh für Gaskraftwerke würde diesen wieder eine Einspeisechance gewähren, was die Netzstabilität erheblich steigern, die CO2 Belastung erheblich senken und die Kosten für den Verbraucher damit erheblich reduzieren würde. Neue Mega Trassen wären nicht nötig. Dringend erforderlich ist es aber, den ungezügelten Offshore-Ausbau zu stoppen. Zudem müssten einige Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Die vielen städtischen GUD-Kraftwerke würden sich dadurch wieder rechnen. Die Kommunen, die dort investiert haben, würden endlich nicht weiter für ihr vorbildliches ökologisches Engagement bestraft werden.
Wie widersinnig die Diskussion um den in den Medien so beliebten Satz ist, dass der „Windstrom vom Norden in den Süden“ müsse, sieht man auch daran, dass Anfang 2015 in Hamburg ein neues Steinkohlekraftwerk mit 1,7 GW Leistung in Betrieb ging. (weit größer als ein Atomkraftwerk mit ca. 1,3 GW)
Wieso das, wenn doch angeblich so viel billiger Windstrom da ist, und viele Fachleute der Meinung sind, das Grundlastkraftwerke reduziert werden müssen?
Um keine Missverständnisse zu erzeugen: Wir sind auch für einen erst einmal kleinteiligen Ausbau der Offshore Windkraft, um auch hier weitere Innovationen zu ermöglichen (es wird an Anlagen bis zu 12 MW pro Windrad geforscht). Momentan fällt der Gestehungspreis für Wind und Solarstrom an Land immer noch deutlich schneller als bei Offshore Anlagen, das wäre die logische Hauptrichtung.
In der jetzigen Situation ist aber ein solch großer Ausbau der Offshore Windkraft (geplante 15 GW bis 2030) dem Stromkunden gegenüber unverantwortlich. Der wesentliche Windkraft-Ausbau muss zur Zeit an Land erfolgen. Offshore-Windkraft zerstört die Akzeptanz der Energiewende, da sie zu teuer ist und unsinnige HGÜ Trassen benötigt.
Ich bitte alle Journalisten, diese Berechnungen zu überprüfen, bevor sie weiterhin so kritiklos über den angeblich billigen Windstrom aus dem Norden schreiben. Für das Gelingen der Energiewende brauchen wir keine überdimensionierten Masten durch ganz Deutschland. Eine nachhaltige Energiewende ist dezentral und nah am Verbraucher.
Quellenangaben:
- *1 BMWi Offshore-Windenergie.net
- *² Offshore-das-Fundament.de, sowie Wikipedia.org/wiki/Offshore-Windpark
- *³ Offshore-windenergie/politik/eeg-verguetung
Zusätzlich zu diesen Aussagen muss weiter an der Speichertechnologie gearbeitet werden. Diese muss uns helfen, überschüssigen Strom für die “schwachen” Zeiten aufzubewahren.