Ener­gie­dia­log 2.0 – was für ein Witz

Bei der zwei­stün­di­gen Neu­auf­la­ge ging es erwar­tungs­ge­mäß am 29.02.16 im Lud­wig-Erhard-Saal mit den angeb­lich tol­len Errun­gen­schaf­ten der CSU, vor­ge­tra­gen durch Aigner, an das zumeist gelang­weil­te Publi­kum los. Ver­tre­ter der Poli­tik, der Kir­chen, der Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber, der Bun­des­netz­agen­tur, der Wind­kraft­geg­ner, der Indus­trie, der Gewerk­schaf­ten, der IHK, der Tras­sen­geg­ner, usw. ins­ge­samt ca. 100 Per­so­nen, waren geladen.

Erd­ver­ka­be­lungs­vor­rang (wur­de von den Lob­by­is­ten sofort wie­der in Fra­ge gestellt, viel zu teu­er, Strom­prei­se für die Wirt­schaft dür­fen nicht stei­gen usw.) und der End­punkt Lands­hut (freut höchs­tens noch die NIM­BYs am alten Stre­cken­ver­lauf) haben aber bei den Tras­sen­geg­nern erwar­tungs­ge­mäß nicht rich­tig gezo­gen. Hat ja auch nichts mit der Umset­zung der dezen­tra­len Ener­gie­wen­de zu tun.

Staats­se­kre­tär Pschie­rer stell­te die Taskforce Netz­aus­bau vor und beton­te dabei, jetzt mit den Über­tra­gungs­netz­be­trei­bern und loka­len Poli­ti­kern zu spre­chen und erst spä­ter, bei kon­kre­ten Tras­sen­ver­läu­fen, die Bür­ger einzubeziehen.

Zu die­sem Zeit­punkt hat­ten die Tras­sen­geg­ner vor dem Saal schon mal ein Zei­chen gesetzt:

2016-02-27_Energiedialog2-0aDen mit viel Lie­be und Mühe ent­wor­fe­nen Scheck mit dem Mot­to: 2‑x, das war nix, woll­te Frau Aigner tat­säch­lich nicht von uns ent­ge­gen­neh­men. Die Sze­ne wur­de in fol­gen­dem Link vom BR festgehalten:

www.br.de/nachrichten/enttaeuschender-energie-dialog-100.html

Laut Flur­ge­spräch mit Ten­neT Chef Lex Hart­man, Pschie­rer und dem BI-Ver­tre­ter Mit­tel­fran­kens, Hubert Galo­zy, woll­te Pschie­rer die kurz­fris­ti­ge Ten­neT-Absa­ge zur Bür­ger­ver­an­stal­tung vor zehn Tagen in Alt­dorf (wir hat­ten berich­tet) nicht als The­ma für sei­ne neue Taskforce auf­neh­men. Dabei fie­len inter­es­san­te Sät­ze vom CSU-Hard­li­ner, der sich auf die Umset­zung bei­der HGÜ-Lei­tun­gen offen­sicht­lich freu­te: Mit Bür­ger­initia­ti­ven wie uns rede er nicht, son­dern nur mit Bür­gern, wir sei­en Fun­da­men­ta­lis­ten und gegen alles. Das Argu­ment, dass auch die Bür­ger­initia­ti­ven aus Bür­gern bestehen, ließ er nicht gel­ten. Auch nann­te er kei­nen Ansprech­part­ner, wer denn für die Bür­ger­initia­ti­ven zustän­dig sei, wenn nicht er. Eigent­lich hat­te sich Frau Aigner die Auf­ga­be der Taskforce und Herrn Pschie­rer ursprüng­lich so vor­ge­stellt: „Ich habe Staats­se­kre­tär Pschie­rer gebe­ten, als Bin­de­glied zwi­schen Netz­be­trei­bern und Bür­gern zu fungieren.“

Herr Pschie­rer war auch offen­sicht­lich vom Logo auf der Visi­ten­kar­te der BI Lein­burg (rot durch­ge­stri­che­ner Strom­mas­ten) und dem Satz „Akti­ons­bünd­nis gegen Geleich­strom­lei­tun­gen“ dar­un­ter ver­wirrt. Da stün­de nur „… gegen Gleich­strom­lei­tun­gen“, aber nicht „für eine dezen­tra­le Ener­gie­wen­de“. Das sagt uns aus­ge­rech­net ein Kern­ener­gie-Befür­wor­ter? Alle Ach­tung, Herr Pschie­rer! Sie haben erkannt, wie der Hase läuft. Bür­ger­initia­ti­ven denun­zie­ren, statt infor­mie­ren – das ist die wah­re Auf­ga­be des Lei­ters der Taskforce Netz­aus­bau des Baye­ri­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums. Auch die Über­ga­be unse­rer Pres­se­er­klä­rung, auf der der Zusatz unter dem Logo „für eine dezen­tra­le Ener­gie­wen­de“ steht, hat ihn wohl nicht rest­los über­zeugt. Sowas kennt er halt noch nicht, von den Wind­kraft­geg­nern und Atom­strom­fans aus sei­ner Kli­en­tel, die er sonst so ger­ne bedient (10H-Rege­lung, HGÜ-Lei­tun­gen für Atom- und Kohlestrom).

Wir wer­den aber die Anre­gung, die Bezeich­nung auf unse­rer Visi­ten­kar­te zu erwei­tern, ger­ne auf­neh­men. Beim nächs­ten Tref­fen bekommt er eine Visi­ten­kar­te auf der drauf­steht: Akti­ons­bünd­nis gegen Gleich­strom­lei­tun­gen – für eine dezen­tra­le Ener­gie­wen­de in Bür­ger­hand – gegen über­di­men­sio­nier­ten Netz­aus­bau und aus­fall­si­che­rungs­be­ding­te Auf­rüs­tung von Wech­sel­strom­lei­tun­gen zur Siche­rung der HGÜ-Lei­tun­gen, zum Zwe­cke des inter­na­tio­na­len Strom­han­dels (sie­he Rah­menstra­te­gie der Euro­päi­schen Ener­gie­uni­on) und För­de­rung der CO2-schäd­li­chen Koh­le um gewiss die Kli­ma­zie­le der Bun­des­re­gie­rung nicht zu errei­chen und die Ener­gie­wen­de zu kon­ter­ka­rie­ren , sowie Akti­ons­bünd­nis für den Erhalt unse­rer Zukunft, unse­rer Gesund­heit unse­rer Kin­der und deren Kin­der usw., um den Erhalt einer lebens­wer­ten Umwelt und Natur auch für die nächs­ten Gene­ra­tio­nen zu bewah­ren. — Ist das dann so recht Herr Pschie­rer? Eine Lupe bekom­men Sie dann zum Lesen auch gra­tis dazu!

Nun wie­der zurück zur trau­ri­gen, lus­ti­gen oder pein­li­chen – je nach Sichtweise‑, Ver­an­stal­tung im Ple­num. Nach­dem eini­ge Tras­sen­geg­ner ihre Wort­bei­trä­ge vor­ge­bracht hat­ten, hat­te Pschie­rer unauf­ge­for­dert und völ­lig fehl am Plat­ze die 9,05% Eigen­ka­pi­tal­ren­di­te für die Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber (groß­zü­gig ver­han­delt mit der völ­lig unbe­leck­ten Bun­des­netz­agen­tur, es han­delt sich ja auch nur um Steu­er­geld) mit „unter­neh­me­ri­schem Risi­ko“ begrün­det. Viel­leicht sagt jemand Herrn Pschie­rer, dass die Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber nicht im Wett­be­werb ste­hen (Oli­go­pol) und dass es bei mit Steu­er­geld finan­zier­ten Staats­pro­jek­ten kein unter­neh­me­ri­sches Risi­ko gibt. Ich wie­der­ho­le ger­ne: Die risi­ko­lo­se Alter­na­ti­ve für die Finanz­in­ves­to­ren wäre als Bench­mark z.B. die 10-jäh­ri­ge Bun­des­an­lei­he, die der­zeit unter 0,2% notiert.

Herr Pschie­rer hat auch die vor­ge­schrie­be­ne Bür­ger­be­tei­li­gung bei sol­chen Pro­jek­ten wie dem Tras­sen­bau wenig inter­es­siert. Auf den Hin­weis, dass hier UN-Recht nach der Aar­hus-Kon­ven­ti­on nicht ein­ge­hal­ten wird und es sich um Schwarz­bau­ten han­delt, kam nur ein Achselzucken.

Anre­gun­gen, dass wir in den letz­ten Jah­ren immer mehr Strom expor­tiert haben und Erneu­er­ba­re, wie eigent­lich von Aigner am 02.02.15 ange­kün­digt, eine „Spei­cher­of­fen­si­ve“ drin­gend benö­ti­gen, wur­den alle­samt weg­ge­wischt. Der euro­päi­sche Strom­han­del und die dafür not­wen­di­gen HGÜs wer­den jedoch ger­ne als not­wen­dig für die Ener­gie­wen­de (hä?) betont.

In die­se Ker­be schlug auch die anschei­nend etwas über­for­der­te Oppo­si­ti­on, für die SPD nament­lich Frau Koh­nen, für die Grü­nen Herr Hartmann.

Frau Koh­nen muss­te Herrn Gabri­el („Koh­le-Sig­gi“) unbe­dingt ver­tei­di­gen, für die Ener­gie­wen­de benö­ti­ge es die HGÜ-Tras­sen, und sicher­lich auch die Stand­by-Prä­mie für aus­ge­mus­ter­te Koh­le­schrott­mei­ler. Pein­lich, Frau Koh­nen, aber so ist das, wenn man sich mit dem Gegen­über Hart­mann demons­tra­tiv unter­hält, wäh­rend Tras­sen­geg­ner ihre Pres­se­er­klä­rung ver­le­sen. Aber war­um soll­te man sich als gewähl­te Volks­ver­tre­ter mit Bür­ger­mei­nun­gen auf­hal­ten? Von der Wirt­schaft pro­te­giert zu wer­den ist doch viel angenehmer.

Hart­mann hat­te sein eben­falls schon bekann­tes Plä­doy­er für HGÜ-Strom­tras­sen anschlie­ßend vor den Kame­ras vor dem Saal gehal­ten. Wenigs­tens hat er als „Gast“ die­ser Ver­an­stal­tung dem Ple­num sei­nen unqua­li­fi­zier­ten Bei­trag erspart.

Die Bür­ger haben bei den Block­par­tei­en CDU/CSU, SPD und den Grü­nen auf Land­tags- und Bun­des­tags­ebe­ne wei­test­ge­hend (es gibt vor­bild­li­che Aus­nah­men) kei­ne Unter­stüt­zung für eine dezen­tra­le Ener­gie­wen­de. Alle schrei­en nach HGÜ-Lei­tun­gen für die angeb­li­che Ener­gie­wen­de und erhal­ten doch nur Atom- und Koh­lestrom­lei­tun­gen, die die Ener­gie­wen­de kon­ter­ka­rie­ren. Und was Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber Ten­neT bestä­tigt, und ges­tern auch nicht im Ple­num wider­legt hat – als Aus­fall­si­che­rung für die HGÜs wird die Auf­rüs­tung bestehen­der Wech­sel­strom­lei­tun­gen auf 380kv einen noch grö­ße­ren Aus­bau­be­darf nach sich ziehen.

Als Minis­te­rin Aigner im Ple­num dann auch noch Achim Zer­res von der Bun­des­netz­agen­tur das Wort erteil­te, war für die meis­ten Tras­sen­geg­ner das Zumut­ba­re an die­sem Tag deut­lich über­schrit­ten. Wir haben noch vor der Abschluss­re­de von Frau Aigner demons­tra­tiv den Saal ver­las­sen. Eilig wur­de dar­auf­hin Minis­te­ri­al­di­rek­tor Schwab beor­dert, uns wie­der vor dem Saal ein­zu­fan­gen. Nur hat­ten wir abso­lut kei­ne Lust mehr, dem Kas­perl­thea­ter und den fal­schen Spiel­chen im Ple­num beizuwohnen.

Was man uns am Ende des Ener­gie­dia­logs vor einem Jahr als Ergeb­nis ver­kün­det hat­te, wur­de alles von Koh­le-Sig­gi, aber auch von der mit frap­pie­ren­der Unkennt­nis bezüg­lich der Ener­gie­wen­de ver­se­he­nen Bun­des­kanz­le­rin, sowie dem baye­ri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Horst See­ho­fer am 01.07.15 beim Ener­gie­gip­fel in Ber­lin weggewischt.

Das Schlim­me jedoch ist die Schön­red­ne­rei beim Ener­gie­dia­log, die wir die­sen Mon­tag erlebt haben. Da muss man dann auch nicht bis zum Schluss blei­ben und Bei­fall klat­schen.
2‑x, das war nix!

4 Gedanken zu „Ener­gie­dia­log 2.0 – was für ein Witz“

  1. Vie­len Dank, lie­ber Hubert, für die­sen her­vor­ra­gen­den Bericht, dem man nichts mehr hin­zu­fü­gen kann, son­dern nur eine Bestä­ti­gung: So ist es lei­der! Lei­der hast du in allen Punk­ten Recht.

    Ich hat­te ja schon vor län­ge­rem aus­ge­führt, dass die Prot­ago­nis­ten mit Nägel und Klau­en an den HGÜs fest­hal­ten werden.

    Grün­de:
    – Es geht um sehr viel Geld, für die Netz­be­trei­ber, für die Tras­sen­bau­er, für die Koh­lestrom-Erzeu­ger, für die Strom­händ­ler und für die Inves­to­ren wie Ver­si­che­run­gen, Fonds­ma­na­ger etc. 

    - Letz­te­ren sowie den ÜNB win­ken risi­ko­lo­se Mega-Ren­di­ten. Das las­sen sie sich nicht so ein­fach vom Brot nehmen.

    - Koh­le-Sig­gi will der Koh­le­ver­stro­mungs-Bra­che gefal­len und braucht die HGÜ Süd-Ost zum Stromabtransport.

    - Und die EU hat as Pro­jekt als PCI dekla­riert und ist ent­schlos­sen, auf die Umset­zung zu pochen, weil ja auch die nächs­ten Jahr­zehn­te er Atom- und der Koh­lestrom quer durch Euro­pa ver­scho­ben wer­den muss. (Übri­gens sind wei­te­re PCI-Ver­bin­dung zwi­schen D und Polen defi­niert; auch die brin­gen sicher­lich kei­nen Wind­strom, son­dern lau­fen zu den gro­ßen pol­ni­schen Koh­le­kraft­wer­ken – dar­un­ter Bel­cha­tow, das größ­te Euro­pas und das zweit­größ­te der Welt).

    Aber wir haben die gerech­ten, die rich­ti­gen und die bür­ger- und umwelt­freund­li­chen Argu­men­te auf unse­rer Seite.

    Und die gilt es wei­ter hoch zu hal­ten und gegen die HGÜ-Tras­se anzuführen.

    Der Wider­stand geht weiter!!!

  2. Lie­ber Hubert, dan­ke für den kla­ren Bericht, dem wohl nichts mehr hin­zu­zu­fü­gen ist. Was für eine Schande. 

    Herr Pschie­rer meint, er muss nicht mit uns reden. Wir wer­den uns schon noch alle ken­nen­ler­nen. Die Bemer­kung, wir sei­en „Fun­da­men­ta­lis­ten“ ist doch recht inter­es­sant. Das kann man so oder so auslegen.

    Bei Wiki wird es fol­gen­der­ma­ßen erklärt:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fundamentalismus

    Im wei­te­ren Sin­ne stellt sich der Fun­da­men­ta­lis­mus gegen die Moder­ne und for­dert eine Rück­be­sin­nung auf die Wur­zeln einer bestimm­ten Reli­gi­on oder Ideo­lo­gie, wel­che not­falls mit radi­ka­len und teil­wei­se into­le­ran­ten Mit­teln durch­ge­setzt wer­den soll. Der Vor­wurf des Fun­da­men­ta­lis­mus wird auch auf sozia­le oder poli­ti­sche Grup­pen bezo­gen, die – angeb­lich oder tat­säch­lich – ihre ideo­lo­gi­sche Ori­en­tie­rung abso­lut set­zen und um die gesell­schaft­li­che Vor­macht kämpfen.“

    Um Macht kämp­fen, da befin­den wir uns mit den meis­ten Tras­sen­be­für­wor­tern, sei es aus Poli­tik oder Wirt­schaft in bes­ter Gesellschaft.
    Rück­be­sin­nung auf die Wur­zeln, täte vie­len gut. Reli­gi­on las­sen wir mal außen vor.
    Ideo­lo­gie, wür­de ich mich freu­en, wenn ich das bei unse­ren Ent­schei­dungs­trä­gern mal sehen würde.
    Into­le­ran­te Mit­tel, das muss schon uns über­las­sen blei­ben, zu was für Mit­tel wir grei­fen, um unse­re Gesund­heit zu schüt­zen, ja und den Kampf hat­ten wir ja schon. 

    Ach und noch was zu „radi­kal“. Bis dato hat­te ich in mei­nem Umfeld noch nichts mit so einem macht­ori­en­tier­tem und igno­rie­ren­dem Ver­hal­ten zu tun, das habe ich erst im Zuge des Tras­sen­wi­der­stan­des bei Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Poli­tik und den Nutz­nie­ßern aus dem Tras­sen­bau ken­nen­ler­nen dür­fen. Man passt sich dem Umfeld an. Sehr traurig.
    Den Tras­sen­bau als „unter­neh­me­ri­sches Risi­ko“ zu ver­kau­fen, dass schlägt dem Fass den Boden aus. Blickt Herr Pschie­rer da echt nicht durch? Viel­leicht weiß er gar nicht was „Oli­go­pol“ ist, das hät­ten wir doch erklä­ren können.

    1. Lie­be Bir­git, lie­ber Hubert, Dan­ke für die­se kla­ren Aus­sa­gen. Auch dir Bir­git für die Erklä­rung des Begriffs. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

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