Brand­be­schleu­ni­ger Netzentwicklungsplan? 

Pres­se­mit­tei­lung Akti­ons­bünd­nis Tras­sen­geg­ner vom 27.03.2023

Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber pla­nen euro­päi­sches Mega-Stromnetz

Zwei­te Strom­lei­tung ins Pro­test­ge­biet Nürn­ber­ger Land


Der von den Über­tra­gungs­netz­be­trei­bern am 24. März 2023 ver­öf­fent­lich­te Netz­ent­wick­lungs­plan wirkt ins­ge­samt wie ein Brand­be­schleu­ni­ger. Die Plä­ne für noch mehr neue Strom­lei­tun­gen wer­den in vie­len Regio­nen nicht auf Akzep­tanz, son­dern auf Wider­stand stoßen.

Wovor die Bür­ger­initia­ti­ven (BI) im Akti­ons­bünd­nis Tras­sen­geg­ner seit Jah­ren war­nen, nimmt mit dem neu­en Netz­ent­wick­lungs­plan erst­mals kon­kre­te­re Züge an: Ein wei­te­res Strom­tras­sen-Pro­jekt zwi­schen Alt­dorf – Win­kel­haid und Schwan­dorf soll gebaut wer­den. In der Regi­on Nürn­ber­ger Land und um Alt­dorf trifft Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber Ten­net mit sei­nem über­di­men­sio­nier­ten Netz­ent­wick­lungs­plan auf Bür­ger­initia­ti­ven, die seit über neun Jah­ren aktiv sind. Schon 2014 wur­de effek­ti­ver Wider­stand gegen die Gleich­strom­tras­se „Süd-Ost-Pas­sa­ge“ geleis­tet, 2019 wur­den die Plä­ne der Fir­ma Ten­net für die Wech­sel­strom­tras­se P44mod durchs Nürn­ber­ger Land erfolg­reich abge­wehrt. Wach­sen­de Pro­tes­te fin­den ent­lang der Jura­lei­tung und im Umfeld des geplan­ten zwei­ten Umspann­wer­kes bei Luders­heim und Win­kel­haid statt.

Sor­gen berei­ten muss jedoch der Netz­ent­wi­ckungs­plan ins­ge­samt. Es wer­den für Deutsch­land zahl­rei­che neue Gleich­strom­tras­sen geplant, und auch das Frän­ki­sche Seen­land soll von einer neu­en Wech­sel­strom­tras­se von Ost nach West durch­schnit­ten wer­den. Die Kos­ten für die­se Pro­jek­te wer­den zu einer mas­si­ven Erhö­hung der Netz­ent­gel­te füh­ren. Strom wird zum Luxus­gut. Eine sozi­al gerech­te Ener­gie­ver­sor­gung wird damit nicht gelingen.

War­um es kei­ne Akzep­tanz für neue Über­tra­gungstras­sen geben wird

Die poli­ti­sche Dis­kus­si­on um den Netz­aus­bau ist geprägt von einer erheb­li­chen Igno­ranz dem gegen­über, was die Men­schen vor Ort tat­säch­lich inhalt­lich bewegt. Es wird sei­tens der Netz­aus­bau-Pro­jek­tie­rer aus Wirt­schaft und Poli­tik viel gemut­maßt, war­um der Über­tra­gungs­netz­aus­bau seit Jah­ren auf gro­ßen Wider­stand stößt. Gesprä­che mit den Bür­ger­initia­ti­ven und der betrof­fe­nen Bevöl­ke­rung fin­den aber so gut wie nicht statt. Als ein­fa­ches Erklärm­odell wird immer wie­der ver­sucht, die Kri­tik an den Strom­tras­sen-Plä­nen auf gesund­heit­li­che Beden­ken zu redu­zie­ren. Wäre die Angst vor Gesund­heits­ge­fah­ren der ein­zig aus­schlag­ge­ben­de Grund für die Ableh­nung, könn­te man über eine Umset­zung des geplan­ten Über­tra­gungs­netz­aus­baus unter bestimm­ten Bedin­gun­gen reden.

Aus­schlag­ge­bend für die Ableh­nung neu­er Über­tra­gungs-Strom­lei­tun­gen sind wesent­lich dif­fe­ren­zier­te­re Grün­de als die angeb­li­che Angst vor einer „ver­än­der­ten Hei­mat­ku­lis­se“, wie Wirt­schafts­mi­nis­ter Habeck kürz­lich in einer Pres­se­kon­fe­renz ver­mu­tet hat, ohne jemals mit den Betrof­fe­nen in den Pro­test­re­gio­nen gespro­chen zu haben. Der Anblick von Strom­mas­ten ist sicher­lich nicht das Problem.

Im bun­des­weit akti­ven Akti­ons­bünd­nis Tras­sen­geg­ner sind vie­le Mit­glie­der auch in der Bür­ger­en­er­gie enga­giert. Den Aus­bau von Erneu­er­ba­ren Ener­gien mit Wind­kraft und PV-Anla­gen zu för­dern ist Akti­ons­kon­sens. Das Argu­ment, die Bevöl­ke­rung hät­te Angst vor sicht­ba­rer Ver­än­de­rung durch die Ener­gie­wen­de, greift des­halb nicht. Die Men­schen wol­len aber Anteil haben an den geplan­ten Ver­än­de­run­gen. Und genau da ver­sagt das Strom­markt­mo­dell der Bun­des­re­gie­rung. Ener­gie­wen­de ist nicht belie­big umsetz­bar. Ener­gie­wen­de ist der Aus­bau von Erneu­er­ba­ren Ener­gien, nicht nur in Nord­deutsch­land, von Spei­chern und Reser­ve­kraft­wer­ken vor Ort, ver­bun­den mit einem Aus­bau der regio­na­len Ver­teil­net­ze. Die­ser Strom­tras­sen-Aus­bau wird von den Bür­ger­initia­ti­ven aus­drück­lich eingefordert.

Die kürz­lich vom Akti­ons­bünd­nis Tras­sen­geg­ner orga­ni­sier­te Online-Ver­an­stal­tung mit Exper­ten von BUND Natur­schutz und dem Ener­gie­ver­sor­ger N‑ERGIE am 23. März 2023 mit über 150 Teil­neh­men­den hat ein­mal mehr gezeigt, dass vie­le Men­schen sich für das kom­ple­xe The­ma Ener­gie­ver­sor­gung inter­es­sie­ren und dabei mit­re­den wol­len. Sie set­zen sich mit dem The­ma Netz­aus­bau dif­fe­ren­ziert und mit Unter­stüt­zung von Fach­leu­ten auf Basis der vor­lie­gen­den offi­zi­el­len Netz­ent­wick­lungs­plä­ne auseinander.

Zei­ten­wen­de“ auf dem Strom­markt muss Ziel werden

Der neue Netz­ent­wick­lungs­plan Strom 2037/2045 (2023) lässt erken­nen: Der Strom­tras­sen-Aus­bau ist fokus­siert auf die Bedürf­nis­se der alten Strom­kon­zer­ne und führt zu einer Abhän­gig­keit vom Aus­land. Deutsch­land wird auf­grund sei­ner zen­tra­len Lage zum Strom­tran­sit-Land. Die Ver­stär­kung der neu­en Ost-West-Tran­sit-Tras­sen soll­te end­lich das Ende des Wind­strom-Mär­chens bedeu­ten. Der von den Über­tra­gungs­netz­be­trei­bern gepräg­te, viel zitier­te Satz, “der Wind­strom muss vom Nor­den in den Süden” als angeb­li­ches Erklärm­odell für den Bedarf neu­er Strom­lei­tun­gen hat aus­ge­dient: Immer deut­li­cher wer­den die Plä­ne für den euro­päi­schen Strom­han­del sicht­bar. Jetzt heißt es: „Der Atom­strom muss vom Wes­ten in den Osten“ – und umgekehrt.

Der Wider­stand gegen die geplan­ten Über­tra­gungs­netz­aus­bau-Pro­jek­te wird sei­tens der Bür­ger­initia­ti­ven im Akti­ons­bünd­nis Tras­sen­geg­ner auf Ver­zö­ge­rung und Ver­hin­de­rung durch Pro­tes­te und juris­ti­sche Mit­tel aus­ge­rich­tet blei­ben. Die Bun­des­re­gie­rung und Lan­des­re­gie­run­gen for­dern wir dazu auf, nicht län­ger mit Voll­gas in eine gefähr­li­che ener­gie­po­li­ti­sche Sack­gas­se zu steu­ern. Kli­ma­schutz und eine bür­ger­na­he Ener­gie­wen­de wer­den durch die rein auf ein zen­tra­lis­ti­sches Sys­tem aus­ge­rich­te­ten Netz­aus­bau-Plä­ne ver­hin­dert. Dazu kommt an vie­len Orten die dro­hen­de Zer­stö­rung wert­vol­ler Wäl­der und Böden durch Frei­lei­tungs­schnei­sen und Erd­ka­bel-Tras­sen – Zer­stö­run­gen, die in kei­nem Netz­ent­wick­lungs­plan ein­ge­preist und berück­sich­tigt werden.

Noch ist kei­nes der über­di­men­sio­nier­ten Strom­tras­sen-Pro­jek­te wei­ter gekom­men als zum ers­ten Spa­ten­stich. Zeit genug also für die Bun­des­re­gie­rung, end­lich auch die „Zei­ten­wen­de“ auf dem Strom­markt einzuläuten.

Dör­te Hamann
Pres­se­spre­che­rin Akti­ons­bünd­nis Trassengegner
pressestelle@stromautobahn.de

PDF Pres­se­mit­tei­lung Neu­er Netz­ent­wick­lungs­plan Strom

 

Anhang

Aus dem Netz­ent­wick­lungs­plan Strom 2037/2045 (2023):

In allen vier Sze­na­ri­en ist Deutsch­land das Land in Euro­pa mit sowohl dem Spit­zen­wert für Tran­site in einer ein­zel­nen Stun­de als auch für den Umfang der Tran­site über das Jahr sum­miert. Der hohe Strom­aus­tausch durch Deutsch­land ist eine Fol­ge der zen­tra­len Lage des deut­schen Markt­ge­bie­tes im euro­päi­schen Verbund.” 
https://www.netzentwicklungsplan.de/sites/default/files/2023–03/NEP_2037_2045_V2023_1_Entwurf_Teil1.pdf
S.69
“Deutsch­land ent­wi­ckelt sich in den Sze­na­ri­en zu einem gro­ßen Net­to-Strom­im­por­teur in Euro­pa. Dies ist ins­be­son­de­re auf die ver­gleichs­wei­se hohe inlän­di­sche Strom­nach­fra­ge und die hohe instal­lier­te Leis­tung der erneu­er­ba­ren Ener­gien im Aus­land zurück­zu­füh­ren. Die impor­tier­te Strom­men­ge steigt von 2037 bis 2045 deut­lich an und ist im Sze­na­rio C 2045 am größ­ten. Ins­be­son­de­re aus Frank­reich, Öster­reich und Skan­di­na­vi­en wer­den in den Sze­na­ri­en gro­ße Strom­men­gen importiert.” 
NEP kompakt_2037_2045_V2023_1E.pdf (netzentwicklungsplan.de)
S. 12
“Ins­be­son­de­re in Frank­reich weist die Kern­ener­gie mit ver­gleichs­wei­se gerin­gen varia­blen Kos­ten signi­fi­kan­te Antei­le an der Strom­erzeu­gung auf.”
NEP_2037_2045_V2023_1_Entwurf_Teil1_7.pdf (netzentwicklungsplan.de)
S. 65

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