Zur Gesund­heits­ge­fähr­dung durch die HGÜ-Trasse

von: Diet­rich Mock <dietrich.mock@gmail.com>

1.Problem bei der Aus­wer­tung von Untersuchungen
Die meis­ten Unter­su­chun­gen zur gesund­heits­schäd­li­chen Wir­kung von Strom bezie­hen sich auf Wech­sel­strom. Eine 1:1‑Übertragung der Ergeb­nis­se auf Gleich­strom, wie bei der HGÜ-Tras­se ver­wen­det, ist nicht mög­lich. Den­noch soll­ten Wech­sel­feld-Unter­su­chun­gen mit Beach­tung fin­den, da sie über eine brei­te abge­si­cher­te Daten­ba­sis ver­fü­gen und immer­hin die glei­chen phy­si­ka­li­schen Grö­ßen (elek­tri­sche Fel­der, magne­ti­sche Fel­der) erforscht wur­den. Gund­sätz­li­cher Unter­schied ist, daß bei Wech­sel­strom die Fel­der in einer bestimm­ten Fre­quenz schwan­ken (z.B. 50 Hertz), bei Gleich­strom aber kon­stant einwirken.

2.Gefährdung durch elek­tri­sche Gleichfelder
Sowohl die Reich­wei­te als auch die Feld­stär­ke sind bei elek­tri­schen Gleich­fel­der deut­lich höher als bei Wech­sel­fel­dern. Außer­dem kön­nen elek­tri­sche Gleich­fel­der über die sog. Raum­la­dungs­wol­ke1 durch Wind über wei­te Stre­cken ver­frach­tet wer­den. Da die Mast­bil­der der HGÜ-Mas­ten noch nicht genau bekannt sind, kön­nen nur vage Aus­sa­gen über deren Neben­wir­kun­gen gemacht wer­den. Dabei gilt als gesi­chert, daß es in der Nähe von HGÜ-Lei­tun­gen ein erheb­li­ches Risi­ko indi­rek­ter Effek­te auf den Men­schen gibt. Sol­che Effek­te kön­nen sein: das Auf­rich­ten von Haa­ren und das beläs­ti­gen­de Wahr­neh­men von Mikro­ent­la­dun­gen, ver­gleich­bar dem stö­ren­den Knis­tern beim Aus­zie­hen eines „auf­ge­la­de­nen“ Pull­overs. Gründ­li­che Flä­chen­stu­di­en am Men­schen, etwa Groß­raum­un­ter­su­chun­gen ent­lang von HGÜ-Lei­tun­gen in Sied­lungs­ge­bie­ten, gibt es bis­her kei­ne.2

3.Gefährdung durch magne­ti­sche Gleichfelder
Seit Jahr­zehn­ten wird ver­mu­tet, dass magne­ti­sche Wech­sel­fel­der (Wech­sel­strom) gesund­heits­schä­di­gen­de Wir­kun­gen haben. Dies­be­züg­li­che Unter­su­chun­gen in gro­ßen Ver­suchs­rei­hen haben dazu geführt, dass das IARC magne­ti­sche Fel­der, wie sie auch unter Hoch­span­nungs­mas­ten gemes­sen wer­den, in die Risi­ko­grup­pe 2b ein­stuf­te („…mög­li­cher­wei­se krebs­er­re­gend…“), auch ande­re gesund­heits­ge­fähr­den­de Fak­to­ren wur­den nach­ge­wie­sen3. U.a. die Schweiz folg­te die­ser Aus­sa­ge durch Anpas­sung ihrer Grenz­wer­te für magne­ti­sche Feld­ein­wir­kung (magne­ti­sche Fluß­dich­te) bei Wech­sel­strom auf maxi­mal 1μTesla4. Der ent­spre­chen­de Grenz­wert in Deutsch­land liegt bei 200μTesla5. Im Unter­schied zu Deutsch­land, haben sich die Schwei­zer Behör­den für einen vor­beu­gen­den Schutz der Bevöl­ke­rung entschieden.

Der Grenz­wert für magne­ti­sche Fluß­dich­te bei Gleich­strom wur­de für Deutsch­land mit 500μTesla fest­ge­legt6. Die deut­sche Strah­len­schutz­kom­mis­si­on schätzt die Gefah­ren durch star­ke magne­ti­sche Gleich­fel­der als rele­vant ein und weißt im nächs­ten Satz dar­auf­hin, daß es für die Ein­schät­zung der schwä­che­ren magne­ti­schen Gleich­fel­der im Umkreis von HGÜ-Lei­tun­gen, kei­ne Unter­su­chun­gen gibt7. Tier­ver­su­che, die auch im Bereich von deut­lich >100μTesla durch­führt wur­den, brach­ten unein­heit­li­che aber kei­nes­wegs unbe­denk­li­che Ergeb­nis­se8. Auch die EU schätz­te 2009 in ihrem Bericht ein, daß die Daten­la­ge zu Risi­ko­be­ur­tei­lung von magne­ti­schen Gleich­fel­dern unzu­rei­chend ist9.

4.Ionen (Stick­oxi­de, Ozon) in der Raumladungswolke
Die Raum­la­dungs­wol­ke bil­det sich auch an Wech­sel­strom­lei­tun­gen, hat aber an HGÜ-Lei­tun­gen eine wesent­lich grö­ße­re Aus­deh­nung und höhe­re Ionen­kon­zen­tra­ti­on. Die in Deutsch­land gel­ten­den Grenz­wer­te für Ozon und Stick­oxi­de wer­den nach Anga­be der Strah­len­schutz­kom­mis­si­on in der Raum­la­dungs­wol­ke weit unter­schrit­ten10. Ande­rer­seits gibt es eine sehr indi­vi­du­el­le Emp­find­lich­keit für die­se Ionen und ande­re Unter­su­chun­gen, die die Ionen in der Raum­la­dungs­wol­ke als wesent­lich gesund­heits­schäd­li­cher ein­stu­fen11.

Zusam­men­fas­sung
Es gibt Bewei­se für die beläs­ti­gen­den indi­rek­ten Wir­kun­gen von elek­tri­schen Gleich­fel­dern um HGÜ-Tras­sen. Es gibt kei­ne Stu­di­en unter rea­len Bedin­gun­gen, bei denen sol­che Neben­wir­kun­gen unter­sucht wur­den. In Deutsch­land gilt ein Grenz­wert für magne­ti­sche Fluß­dich­te bei Gleich­strom von 500μTesla. Es gab in Ver­suchs­rei­hen Zwei­fel an der Unbe­denk­lich­keit eines Wer­tes in die­ser Grö­ßen­ord­nung. Wie schon bei der Grenz­wert­fest­le­gung für Wech­sel­fel­der, wur­de auch bei magne­ti­schen Gleich­fel­dern auf einen vor­beu­gen­den Schutz der Bevöl­ke­rung ver­zich­tet. Durch Raum­la­dungs­wol­ken über wei­te Ent­fer­nun­gen ver­frach­te­te Ionen stel­len ein nicht genau kal­ku­lier­ba­res Gesund­heits­ri­si­ko dar, da Grenz­wer­te u.U. indi­vi­du­el­le Emp­find­lich­kei­ten Ein­zel­ner nicht absi­chern und es ernst­zu­neh­men­de Unter­su­chun­gen gibt, die der Unbe­denk­lich­keit der Ionen­wol­ke widersprechen.

  • 1 Durch elek­tri­sche Ent­la­dun­gen bil­den sich um das Lei­ter­seil der HGÜ-Lei­tung eine Wol­ke gela­de­ner Teil­chen, die sog. Raumladungswolke.
  • 2 Bio­lo­gi­sche Effek­te der Emis­sio­nen von HGÜ-Lei­tun­gen. SSK 263. Sit­zung vom 13.09.2013, S.4ff
  • 3 Unter Ein­wir­kung eines nie­der­fre­quen­ten Magnet­fel­des von über 0,4 Mikro­tes­la wur­de für Kin­der ein 2fach erhöh­tes Risi­ko, an Leuk­ämie zu erkran­ken, fest­ge­stellt. In Lang­zeit­tier­ver­su­chen wur­de das ver­mehr­te Auf­tre­ten von Schild­drü­sen­tu­mo­ren, eine Wachs­tums­be­schleu­ni­gung für Tumo­ren und eine Ver­rin­ge­rung der Mela­to­nin­pro­duk­ti­on nachgewiesen.
  • IARC Mono­graphs on the Eva­lua­ti­on of Car­ci­no­ge­nic Risks to Humans. Volu­me 80. Lyon 2002. S.332ff.
  • 4 Vor­schrif­ten zum Schutz der Bevöl­ke­rung vor Elek­tro­smog. 24h-Mit­tel­wert für Hoch­span­nungs­lei­tun­gen (Wech­sel­strom). Bun­des­amt für Umwelt, Wald und Land­schaft. Schweiz
  • 5 26. Ver­ord­nung zum Bun­des-Immis­si­ons­schutz­ge­setz (Ver­ord­nung über elek­tro­ma­gne­ti­sche Fel­der – 26. BImSchV), Anhang 1 zu §§2, 3, 3a, 10)
  • 6 Ebd.
  • 7 Bio­lo­gi­sche Effek­te der Emis­sio­nen von HGÜ-Lei­tun­gen. SSK 263. Sit­zung vom 13.09.2013, S.14
  • 8 Ebd. S.17f
  • 9 Sci­en­ti­fic Com­mit­tee on Emer­ging and New­ly Iden­ti­fied Health Risks SCENIHR 2009
  • 10 Bio­lo­gi­sche Effek­te der Emis­sio­nen von HGÜ-Lei­tun­gen. SSK 263. Sit­zung vom 13.09.2013, S.27
  • 11Alan Preece (Uni­ver­si­tät Bris­tol) stütz­te sich auf die Theo­rie von Denis Hens­haw (Uni­ver­si­tät Bris­tol) und stell­te einen Zusam­men­hang her zwi­schen deut­lich erhöh­tem Krebs­ris­kio und Ein­wir­kungs­be­reich von Raum­la­dungs­wol­ken von Hochspannungsleitungen.

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