Exklu­siv­in­ter­view mit Prof. Clau­dia Kemfert

Felix Bruck, Mit­glied der BI Strom­tras­se 16.01 aus Lein­burg hat­te die Gele­gen­heit Prof. Clau­dia Kem­fert für ein Exklu­siv­in­ter­view zu gewin­nen.  Kem­fert ist eine deut­sche Wirt­schafts­wis­sen­schaft­le­rin. Sie ist Lei­te­rin der Abtei­lung Ener­gie, Ver­kehr und Umwelt am Deut­schen Insti­tut für Wirt­schafts­for­schung und Pro­fes­so­rin für Ener­gie­öko­no­mie und Nach­hal­tig­keit an der Her­tie School of Gover­nan­ce in Ber­lin. Sie gilt als Wirt­schafts­exper­tin auf den Gebie­ten Ener­gie­for­schung und Klimaschutz.

Felix Bruck befin­det sich gera­de in der Semi­nar Pha­se der 13ten Klas­se und hat das The­ma “Unter­su­chung der Not­wen­dig­keit der Nord-Süd Strom­tras­sen und Beschrei­bung und Begrün­dung der Pro­test­be­we­gung mit deren Maß­nah­men und Aus­wir­kun­gen” gewählt. Er war bei der Dis­kus­si­on in Nürn­berg “Ener­gie­wen­de – Job­mo­tor oder Job­kil­ler?” dabei, als Sig­mar Gabri­el, Clau­dia Kem­fert und zwei wei­te­re anwe­send waren. Nach der Dis­kus­si­on hat Felix Bruck bezüg­lich eines Inter­views ange­fragt, dass direkt am nächs­ten Tag mög­lich gemacht wurde.


 Inter­view am 30.07.2014:

Von: Felix Bruck
Mit: Prof. Clau­dia Kemfert

1. Wie beur­tei­len Sie das zukünf­ti­ge Ver­hält­nis Strom­an­ge­bot und tat­säch­li­cher Strom­ver­bauch in Süd­deutsch­land, bei Weg­fall von nicht rege­ne­ra­ti­ven Ener­gie­quel­len, wie z.B. Atom­kraft­wer­ke in Bayern?

Kem­fert: Also, in Bay­ern und in Baden-Würt­tem­berg gibt es noch immer sehr hohe Kapa­zi­tä­ten von Atom­kraft­wer­ken. Das sind eini­ge Kraft­wer­ke, die jetzt noch am Netz sind, die rein theo­re­tisch durch­aus kom­pen­siert wer­den könn­ten durch ande­ren Strom, weil wir in Deutsch­land im Moment die Situa­ti­on haben, dass wir zu viel Strom haben. Wir pro­du­zie­ren mehr als wir ver­brau­chen, was auch an den Atom­kraft­wer­ken liegt. Und natür­lich an den vie­len alten inef­fi­zi­en­ten Koh­le­kraft­wer­ken, die wir ins­be­son­de­re im Wes­ten und im Osten Deutsch­lands noch viel im Ein­satz haben. Doch der Strom ist nicht knapp, selbst wenn man jetzt in Bay­ern und in Baden-Würt­tem­berg die Atom­kraft­wer­ke heu­te abschal­ten wür­de ‑sie­ben sind es noch an der Zahl- hät­ten wir kei­ne Knapp­heit, aber der Strom muss natür­lich nach Bay­ern und nach Baden-Würt­tem­berg kom­men. Das heißt: In Bay­ern und in Baden- Würt­tem­berg gibt es nicht genug eige­nen Kapa­zi­tä­ten um das zu kom­pen­sie­ren. Man müss­te es trans­por­tie­ren, eben aus ande­ren Regio­nen. Das wäre das eine. Das ande­re wäre, dass wir mit der Ener­gie­wen­de, eine Ver­la­ge­rung von Kapa­zi­tä­ten haben. Das heißt: Wir wer­den im Nor­den Deutsch­lands mehr Strom aus Wind haben. Ins­be­son­de­re an Land, aber natür­lich auch auf See, da die Bedin­gun­gen dort sehr viel bes­ser sind. Und die­ser Strom muss irgend­wo hin. Der muss dann letzt­end­lich abtrans­por­tiert wer­den. Ob der jetzt ins Aus­land trans­por­tiert wird oder wo auch immer hin. Letzt­end­lich brau­chen wir eine gute Lei­tungs­ver­bin­dung in Deutsch­land. Das heißt: Wir brau­chen in der Tat Strom­au­to­bah­nen, oder zumin­dest eine, was unse­re Modell­rech­nun­gen zei­gen, die sehr, sehr wich­tig ist um eben die­sen Über­schuss damit auch umge­hen zu kön­nen. Aber in der Tat muss Bay­ern und Baden-Würt­tem­berg mehr tun, um eige­ne Kapa­zi­tä­ten auf­zu­bau­en. Es reicht eben nicht, wenn wir sagen wir bau­en nur eine Lei­tung, denn es muss auch noch ander­wei­tig was dazu kom­men. Ins­be­son­de­re erneu­er­ba­re Ener­gien, Wind­ener­gie bei­spiels­wei­se, Pho­to­vol­ta­ik ist schon sehr viel vor­han­den, aber auch Bio­mas­se. Wenn das alles kommt kann Bay­ern sich schon zu gro­ßen Tei­len selbst ver­sor­gen. Nichts des­to trotz sind wir in Deutsch­land ein ein­heit­li­ches Sys­tem. Die Ener­gie­wen­de hat das Ziel, eben die erneu­er­ba­ren Ener­gien deut­lich aus­zu­bau­en. Das heißt: Wir brau­chen einer­seits auch Strom­au­to­bah­nen, ande­rer­seits intel­li­gen­te Ver­teil-Net­ze, um die­sen Aus­gleich zu haben von Ange­bot und Nach­fra­ge. Es muss letzt­end­lich auf allen Ebe­nen was pas­sie­ren. Das heißt aber auch in Bay­ern Kapa­zi­tä­ten
zu bau­en, eine Lei­tung bau­en, intel­li­gen­te Net­ze bau­en, das Sys­tem umstruk­tu­rie­ren. Da ist dann auch ein Bun­des­land wie Bay­ern gefor­dert und muss mehr tun als es im Moment tut. 

2. Könn­te das bestehen­de Netz zukünf­tig mit Zunah­me von rege­ne­ra­ti­ven Ener­gien den Strom­be­darf in Bay­ern decken und soge­nann­te „Spit­zen“ abfangen? 

Kem­fert: Noch nicht. In der Tat sind dafür noch mehr Lei­tun­gen not­wen­dig, aber man muss das eben auch per­spek­ti­visch sehen. Wir haben am DW umfang­rei­che Model­le ent­wi­ckelt für den Strom­markt, auch für das Lei­tungs­netz und wir sehen, dass man schon einen Lei­tungs­aus­bau braucht. Wenn man jetzt sofort alle Atom­kraft­wer­ke in Bay­ern abschal­ten wür­de hät­te man nicht aus­rei­chend Kapa­zi­tä­ten. Es kommt zwar die­se Thü­rin­ger Lei­tung, die gera­de gebaut wird. Nächs­tes Jahr soll sie fer­tig sein. Damit könn­te man es teil­wei­se kom­pen­sie­ren aber noch nicht voll­stän­dig. Es muss noch mehr in Lei­tun­gen inves­tiert wer­den. Aber per­spek­ti­visch gese­hen ist es so, dass wenn wir noch mehr erneu­er­ba­re Ener­gien im Nor­den haben oder über­all, dass wir dann auch davon aus­ge­hen, dass der Anteil vom Koh­lestrom immer wei­ter run­ter­geht. Und Koh­le ist im Moment im Über­schuss im Osten Deutsch­lands, Sach­sen, Sach­sen-Anhalt, Bran­den­burg und auch in Nord- Rhein-West­fah­len. Und wenn die­ser Koh­le­an­teil in der Zukunft run­ter geht, wovon wir alle aus­ge­hen, haben wir natür­lich auch wie­der freie Netz­ka­pa­zi­tä­ten, die man nut­zen kann und die dann eben auch im Moment dazu füh­ren, dass die Net­ze rela­tiv voll­ge­stopft sind mit Koh­lestrom. Aber in der Zukunft eben nicht mehr so. Und dann hät­te man auch das exis­tie­ren­de Strom­netz was zur Ver­fü­gung ste­hen wür­de um die Ener­gie­wen­de auch wirk­lich umzu­set­zen. Die Per­spek­ti­ve ist: 80% Strom aus erneu­er­ba­ren Ener­gien. In der Sum­me heißt das, dass man eben auch Kapa­zi­tä­ten braucht wie Gas­kraft­wer­ke, Pump­spei­cher­kraft­wer­ke, wie man kop­peln kann und wie man mit­ein­an­der kom­bi­nie­ren kann. Das gan­ze Sys­tem wird ja mehr dezen­tra­ler. Aber wir wer­den auch mehr Stand­or­te in Nord­deutsch­land haben, ins­be­son­de­re wo eben sehr hohe Stun­den Voll­be­las­tun­gen von Wind­strom not­wen­dig sind für die Ener­gie­wen­de. Da kommt man nicht drum rum. Und der muss letzt­end­lich auch abtrans­por­tiert wer­den. Bevor man die Anla­gen abre­gelt, oder abstellt, macht es mehr Sinn, man baut ein Lei­tungs­netz, was eben auch die Mög­lich­kei­ten schafft. Das Ziel ist:100% Strom aus erneu­er­ba­ren Ener­gien zu trans­por­tie­ren und nichts anderes. 

3. Im Netz­ent­wick­lungs­plan und im Sze­na­rio­rah­men wird die Not­wen­dig­keit der 3 Gleich­strom­tras­sen mit Nach­druck fest­ge­stellt. Sie spre­chen sich ein­deu­tig gegen 2 der geplan­ten Tras­sen aus. Auf was stüt­zen Sie sich hierbei?

Kem­fert: Ja, wir haben uns den Sze­na­rio­rah­men der Bun­des­re­gie­rung sehr genau ange­schaut und fest­ge­stellt, dass die­ser Sze­na­rio­rah­men im Ver­gleich zum letz­ten Bun­des­be­darfs­plan der Net­ze einen deut­lich hören Anteil von Braun­koh­lestrom annimmt. Also, der Anteil von Braun­koh­lestrom steigt! Was uns sehr ver­wun­dert hat, weil eigent­lich soll­te man davon aus­ge­hen wie zu vor, dass er sinkt. Wenn man sich vor Augen führt, was sie im Sze­na­rio­rah­men anneh­men, dann sind das tat­säch­lich Braun­koh­le­an­la­gen ins­be­son­de­re im Osten Deutsch­lands, aber auch alte Stein­koh­le­kraft­wer­ke in Nord­rhein­west­fa­len. Das hat uns sehr ver­wun­dert, weil man eigent­lich eher davon aus­ge­hen soll­te, dass die­se alten Kapa­zi­tä­ten abge­baut wer­den, bzw. auch kein neu­er Tage­bau statt­fin­det, um eben das zu recht­fer­ti­gen. Aber die Bun­des­re­gie­rung geht jetzt davon aus, dass neue Tage­bau kom­men, dass noch mehr Koh­lestrom trans­por­tiert wer­den soll und dafür sind in der Tat die­se Lei­tun­gen! Das muss man dann auch so offen sagen! Und der Gabri­el hat es ja ges­tern auch gesagt, dass die­se Ost-Süd-Lei­tung extra dafür gebaut wird um eben die­sen über­schüs­si­gen Koh­lestrom zu trans­por­tie­ren. Und das ist ja nicht im Sin­ne des Erfin­ders. Das ist ja nicht das was wir vor­ha­ben. Inso­fern haben wir ein­deu­tig fest­ge­stellt: ohne die­se Lei­tung, mit dem Hin­ter­grund, dass der Koh­le­an­teil singt, kom­men wir pro­blem­los, gut zurecht, weil der Anteil von erneu­er­ba­ren Ener­gien steigt und das exis­tie­ren­de Netz schon heu­te gut aus­ge­baut ist, um eben auch damit gut fer­tig zu wer­den. Das sind die Über­tra­gungs­net­ze. Dazu kom­men natür­lich die Ver­teil-Net­ze, die müs­sen sowie­so kom­men. Das ist ganz sicher, weil mit dem Zubau der erneu­er­ba­ren Ener­gien brau­chen wir mehr Ver­teil-Net­ze und intel­li­gen­te Steuerung. 

4. Sie haben ges­tern gesagt, die ein­zig not­wen­di­ge Tras­se sei die „Süd­link“. War­um? Mit wel­chen Begrün­dun­gen machen Sie das fest?

Kem­fert: Weil die ande­ren bei­den Lei­tun­gen ihre Ursprün­ge in Koh­le­ge­bie­ten haben. Also in ers­ter Linie an der Begrün­dung (die auch stimmt), die die Geg­ner her­vor­brin­gen, dass der Sze­na­rio­rah­men ein­deu­tig zeigt, dass es geknüpft ist an einen Aus­bau von Koh­le. Tage­bau, so wie Stein­koh­le als auch Braun­koh­le. Und das muss man schon kri­tisch hin­ter­fra­gen. Denn wenn man davon aus­geht, dass der Anteil von Koh­lestrom sinkt, was ja im Sin­ne der Ener­gie­wen­de ist, dann müss­te die­se Lei­tun­gen nicht not­wen­dig sein. Um jetzt auf die Süd­link, die mitt­le­re Tras­se zu kom­men, ist die­se davon aus­ge­nom­men, weil sie wirk­lich dafür gebaut wird um den über­schüs­si­gen
Strom aus Wind­ener­gie zu ver­tei­len. Sie ist nur für erneu­er­ba­re Ener­gien da. Das macht auch Sinn, weil wir in der Tat in der Zukunft einen Zuwachs aus Wind Ener­gie haben wer­den. Off­shore Wind­ener­gie, genau­so wie onshore. Und die­ser Strom muss abge­führt wer­den und das geht nicht ohne eine Ver­bin­dung. Der Strom muss natür­lich auch nach Nor­den gehen, kei­ne Fra­ge. Nach Skan­di­na­vi­en, aber es muss eben auch nach Süden gehen. Des­we­gen ist die Süd­link-Lei­tung, von dem wie sie kon­zi­piert ist, von Schles­wig Hol­stein nach Bay­ern abso­lut sinn­voll und auch not­wen­dig. Und hier­bei kann man sich auch sicher sein, dass Strom aus erneu­er­ba­ren Ener­gien durch­flie­ßen wird. Das haben wir nach­ge­wie­sen. Unse­re Modell­rech­nun­gen bestä­ti­gen, dass es hier aus­schließ­lich um erneu­er­ba­re Ener­gien geht. 

5. Zur Bestim­mung der not­wen­di­gen Maß­nah­men soll­ten die Netz­be­trei­ber dem soge­nann­ten NOVA-Prin­zip fol­gen. Ist es dann nicht kon­tra­pro­duk­tiv, wenn die Netz­be­trei­ber 9,05% Inves­ti­ti­ons­ren­di­te auf den Neu­bau und nur 7,14% auf die Opti­mie­rung schon bestehen­der Net­ze von der Bun­des­netz­agen­tur bekom­men? War­um wur­de das so ent­schei­den und war­um wird nichts gegen die­se Finan­zie­rungs­struk­tur unternommen?

Kem­fert: Gute Fra­ge! Die Bun­des­netz­agen­tur sagt immer es reicht völ­lig aus um die­se Anrei­ze zu geben vom Regu­lie­rungs­rah­men. Fakt ist aber, dass es ja eben nicht so effi­zi­ent funk­tio­niert, wie man es sich eigent­lich vor­stel­len wür­de, weil wir vie­le, vie­le Pro­ble­me damit haben. In der Zukunft muss man über­le­gen, ob das wirk­lich der geeig­ne­te Regu­lie­rungs­rah­men ist. Also jetzt mal abge­se­hen von der Finan­zie­rungs­fra­ge, die mit Sicher­heit auch eine berech­tig­te ist und auch eine schwie­ri­ge, stell ich mir aber die Fra­ge, ob es dar­auf nicht auch eine poli­ti­sche Ant­wort geben muss. Weil bei­spiels­wei­se die Minis­ter­prä­si­den­ten von Schles­wig Hol­stein und Baden-Würt­tem­berg, (ja ich glau­be die Bei­den), vor­ge­schla­gen haben, dass man über­le­gen soll­te ob man nicht die Bun­des­netz­agen­tur teil­wei­se auch davon ent­las­ten soll­te. Es kann auch Auf­ga­be des Bun­des sein, hier für Finan­zie­rung zu sor­gen und auch Teil­ab­schnit­te sel­ber in die Hand zu neh­men, um die Bür­ger eben dann auch mit ein­zu­bin­den in bestimm­te Model­le. Das hal­te ich auch für sinn­voll das mal zu über­le­gen, weil man ja sieht, dass diver­se Unter­neh­men häu­fig über­for­dert sind den Anfor­de­run­gen, die jetzt die Ener­gie­wen­de an die Net­ze stellt, gerecht zu wer­den. Und hier ist glau­be ich jede Über­le­gung, wie man das opti­mie­ren und ver­bes­sern kann eine rich­ti­ge. Es zumin­dest ein­mal zu über­den­ken und zu diskutieren.

6. Wären Spei­cher­mög­lich­kei­ten Ihrer Ansicht nach finan­zi­ell ren­ta­bler als der Neu­aus­bau der Gleich­strom­tras­sen, ihrer War­tung oder Erdverkabelung?

Kem­fert: Der­zeit, nein! Also, ganz klar nein. Denn es gibt ers­tens nicht aus­rei­chend Spei­cher­ka­pa­zi­tä­ten, es gibt zwar in Skan­di­na­vi­en Pump­spei­cher, das sind aber alles Kurz­zeit­spei­cher (?). Selbst wenn man in Bay­ern und Baden-Würt­tem­berg noch mehr Pump­spei­cher dazu baut, wür­de es nicht aus­rei­chen. In Hes­sen gibt es des­we­gen auch jede Men­ge Bür­ger­pro­tes­te, kei­ner will die, und das ande­re ist, dass sie sich im Moment auch nicht rech­nen auf Grund der Umstel­lung des Strom­mark­tes. Aber selbst wenn man das hin­be­kom­men wür­de, ist es im Moment nicht aus­rei­chend, um eben die­se Men­gen an Strom über die wir reden tat­säch­lich kurz­fris­tig zu spei­chern. Die Pump­spei­cher­ka­pa­zi­tä­ten rei­chen nicht aus. Per­spek­ti­visch spricht man ja über mehr Spei­cher­lö­sun­gen. Also „Power to Gas“ ist ja das Stich­wort. Dass man eben über­schüs­si­gen erneu­er­ba­ren Ener­gien Strom nutzt um Was­ser­stoff her­zu­stel­len und dann Methan und das dann auch wie­der in grö­ße­ren Men­gen als Kraft­stoff nut­zen kann. Das ist durch­aus inter­es­sant, tech­no­lo­gisch sehr viel mach­bar, was ja hier die ers­ten Pilo­ten­vor­ha­ben von Audi und ande­ren die dort betei­ligt sind zei­gen. Aber wirt­schaft­lich im Moment über­haupt nicht dar­stell­bar. Das könn­te in 15 Jah­ren so weit sein, wenn man wirk­lich über­schüs­si­gen Strom aus erneu­er­ba­ren Ener­gien hat, aber in die­ser Welt sind wir noch lan­ge nicht. Wir sind ca. bei 25% erneu­er­ba­ren Ener­gien und dafür müs­sen wir in einer Welt sein von über 50%, 60%, 70% erneu­er­ba­ren Ener­gien. Denn dann hat man auch Pha­sen, in denen man wirk­lich einen gro­ßen Über­schuss hat und dann ist ja der erneu­er­ba­re Ener­gien Strom um sonst da und bevor man ihn abre­gelt und ver­schenkt, kann man ihn dann spei­chern. Aber wir haben im Moment nicht die Spei­cher­ka­pa­zi­tä­ten um auf den Lei­tungs­aus­bau zu ver­zich­ten. Ich wür­de auch wirk­lich raten, dass wir das Strom­netz sozu­sa­gen als Ein­heit mit der Ener­gie­wen­de begrei­fen, weil ohne den Lei­tungs­aus­bau schaf­fen wir es in Deutsch­land nicht die Ener­gie­wen­de als Gan­zes umzu­set­zen. Das ist glau­be ich etwas, was man auch immer wie­der sagen muss. Ich ver­ste­he, dass es immer wie­der gro­ße Vor­be­hal­te gibt, teil­wei­se zu recht, aber eben teil­wei­se auch nicht. Zum Bei­spiel auch gegen Pump­spei­cher und ohne die­se Kapa­zi­tä­ten wird es ver­dammt schwer. So wird die Ener­gie­wen­de kaum zu stem­men sein und in so fern muss man die Bür­ger ein biss­chen mit­neh­men und ihnen auch deut­lich machen, dass sie natür­lich auch Teil der Ener­gie­wen­de sind und sich dort auch aktiv dar­an betei­li­gen kön­nen. Das wäre natür­lich wünschenswert.

7. Wäre es nicht sinn­voll, Gas­kraft­wer­ke an Stand­or­ten von alten Atom­kraft­wer­ken zu bau­en und sie sub­ven­tio­nie­ren zu las­sen? (weil Netz besteht schon und Gas ist Zukunft (Spei­cher­mög­lich­mög­lich­keit)

Kem­fert: Ja, also da spricht über­haupt nichts dage­gen, dass man das so machen kann. Die baye­ri­sche Lan­des­re­gie­rung hat­te mal im Ener­gie­kon­zept von 2010 genau das gesagt, dass sie Gas­kraft­wer­ke, Frau Aigner sagt dass auch heu­te noch, an den Stand­or­ten von Atom­kraft­wer­ken bau­en wol­len. Die ers­te Fra­ge ist: Wie vie­le brau­chen wir? Das ist die eine Fra­ge. Ich den­ke schon, dass es Sinn macht, dass man Gas­kraft­wer­ke baut. Im Moment haben wir nur die Situa­ti­on, dass wir einen gigan­ti­schen Strom­über­schuss durch die alten Koh­le­kraft­wer­ke haben. Und die Gas­kraft­wer­ke sind abge­schal­tet, ja auch Irsching, weil es sich nicht rech­net. In so fern ist erst ein­mal Schritt eins die alten inef­fi­zi­en­ten Koh­le­kraft­wer­ke vom Netz zu neh­men. Über­ka­pa­zi­tä­ten müs­sen raus! Dann gibt es Preis­si­gna­le, auch an der Bör­se, die sozu­sa­gen mehr Knapp­hei­ten zulas­sen und so wer­den Gas­kraft­wer­ke auto­ma­tisch wirt­schaft­lich, ohne dass man sie sub­ven­tio­nie­ren muss. Beim zwei­ten Schritt geht man über den höhe­ren CO2 Preis. Weil ein höhe­rer CO2 Preis die Koh­le­kraft­wer­ke unwirt­schaft­li­cher macht und die Gas­kraft­wer­ke gleich­zei­tig wirt­schaft­li­cher. Das heißt, man könn­te über die­se bei­den Steue­rungs­me­cha­nis­men durch­aus Gas­kraft­wer­ke wie­der ins Geld brin­gen. Wir haben das bis vor kur­zem berech­net und man bräuch­te sie gar nicht sub­ven­tio­nie­ren. Das heißt hier ist jetzt sogar ein über­ge­ord­ne­ter Schritt not­wen­dig. Das was jetzt im Moment vie­le wol­len, auch eben Eon und alle gro­ßen Betrei­ber, auch Stadt­wer­ke, ist Sub­ven­ti­on für alle Kraft­wer­ke zu bekom­men. Denn sie sagen: Es rech­net sich nicht mehr! Der Bör­sen­preis ist zu nied­rig! Wir müs­sen Kraft­wer­ke teil­wei­se still­le­gen und das passt uns nicht! Wir brau­chen Geld vom Staat! Das ver­steckt sich unter dem Deck­man­tel Kapa­zi­täts­märk­te, damit sind aber Sub­ven­ti­ons­zah­lun­gen für alle Kraft­wer­ke gemeint. Nicht nur für Gas son­dern eben für alle. Und das wür­de, das zei­gen unse­re Stu­di­en, eben aus­schließ­lich Koh­le­kraft­wer­ke bevor­zu­gen. Das wären die­je­ni­gen die da am meis­ten davon pro­fi­tie­ren, das heißt, man wür­de noch ein­mal Koh­le­kraft­wer­ke Sub­ven­tio­nie­ren und hät­te damit noch weni­ger Anreiz für den Bau von Gas­kraft­wer­ken. Ich weiß die baye­ri­sche Lan­des­re­gie­rung will ja unbe­dingt die­sen Kapa­zi­täts­markt. Das ist wirk­lich gefähr­lich, weil wir damit das jet­zi­ge Sys­tem zemen­tie­ren. Nicht wirk­lich die Zukunft und die Ener­gie­wen­de im Blick haben und da muss man höl­lisch auf­pas­sen, weil wenn das pas­siert haben wir ein rie­sen Pro­blem. Ja denn sie wür­den unter die­sem Deck­man­tel sagen: Ja wir wol­len doch auch die Gas­kraft­wer­ke sub­ven­tio­nie­ren! Und so ist dann die Hin­ter­tür für Koh­le­kraft­wer­ke geöff­net. Das ist die Inten­ti­on dahin­ter. Also Sub­ven­ti­on von Gas­kraft­wer­ken brau­chen wir nicht, wenn wir den rest­li­chen Strom­markt mal so hin­be­kom­men wür­den, dass es funk­tio­nie­ren kann. Dann sind die Gas­kraft­wer­ke auto­ma­tisch im Geld.

8. Was ist Ihre per­sön­li­che Mei­nung zur Tras­se? Dient Sie Ihrer Ansicht nach der Ener­gie­wen­de oder dem inter­na­tio­na­len Stromhandel?

Kem­fert: Also…. Sie dient dem Aus­bau von Braun­koh­lestrom! Das muss man deut­lich sagen! Es ist eine Ver­bin­dung von Tage­bau der geplant ist, den wir eigent­lich nicht mehr brau­chen und auch eigent­lich nicht mehr gemacht wer­den soll, um die­sen über­schüs­si­gen Strom abzu­trans­por­tie­ren. Dafür ist die Tras­se da! Sie ist tat­säch­lich eine Braun­koh­le­lei­tung. Und klar… Strom wird ver­kauft. Im Moment ver­kau­fen wir viel Strom und ver­die­nen viel Geld damit, aber letzt­end­lich ist es dafür da um den Tage­bau zu recht­fer­ti­gen. Und in so fern sehe ich es eher als rein deut­sche Ent­schei­dung wei­ter­hin auf Braun­koh­le zu setz­ten und das ist nicht kom­pa­ti­bel mit der Ener­gie­wen­de. Denn Braun­koh­le­kraft­wer­ke ver­ur­sa­chen zu vie­le Treib­haus­ga­se, sie sind Kli­ma­schäd­lich ohne Ende und dann ver­ur­sacht ja der Tage­bau, der Umwelt­ver­schmut­zung usw. her­vor­bringt, Land­schafts­zer­stö­rung, muss man ja schon sagen. Men­schen wer­den umge­sie­delt, die Kos­ten sind immens und das macht ein­fach alles kei­nen Sinn mehr. Wir haben mitt­ler­wei­len so vie­le Optio­nen. Die erneu­er­ba­ren Ener­gien wer­den immer bil­li­ger. Ener­gie­ef­fi­zi­enz ist noch ein The­ma. Wir müs­sen das Ener­gie­sys­tem ins­ge­samt umbau­en. Wir soll­ten uns nicht auf die Tech­nik der Ver­gan­gen­heit kon­zen­trie­ren, son­dern auf die Tech­nik der Zukunft und das ist ja auch die Auf­ga­be die sich uns zur Zeit stellt. Wie bekom­men wir es hin, die­sen Sys­tem­wech­sel auch von der Qua­li­fi­ka­ti­on her zu betreu­en. Weg von alten Tech­no­lo­gien hin zu neu­en und da gibt es gute Arbeits­kräf­te die man dafür mobi­li­sie­ren kann. Und wir müs­sen auf­pas­sen, dass wir vor allem einen Rück­schritt vermeiden! 

9. Alles klar. Dann bedan­ke ich mich recht herz­lich bei Ihnen Frau Kem­fert , dass sie sich die Zeit genom­men haben mir ein paar Fra­gen zu beantworten.

Kem­fert: Ja ger­ne… Sehr gerne!

2 Gedanken zu „Exklu­siv­in­ter­view mit Prof. Clau­dia Kemfert“

  1. Dan­ke, Felix Bruck, für die­ses auf­schluss­rei­che Inter­view. Nimmt man die klar­stel­len­den Äuße­run­gen von Frau Prof. Kem­fert und ver­gleicht sie mit den Äuße­run­gen des amtie­ren­den Minis­ter­prä­si­den­ten von Bran­den­burg zur Braun­koh­le (ZDF-Sen­dung “fron­tal 21” vom 09.09.2014, abruf­bar in der ZDF Media­thek) wird eines klar: Hier ent­larvt eine sach­kun­di­ge Wis­sen­schaft­le­rin die Bestre­bun­gen der Koh­le­lob­by, “Koh­le zu machen” und dies mit der Sor­ge um Arbeits­plät­ze zu begrün­den. Wenn dies dann auch noch vom Minis­ter­prä­si­den­ten vor­ge­bracht wird, muss es ja stim­men. Auch dif­fe­riert die Anzahl der durch den Braun­koh­le­ta­ge­bau angeb­lich gesi­cher­ten Arbeits­plät­ze erheb­lich, je nach­dem wer die Sta­tis­tik erstellt. Mitt­ler­wei­le ist die Ener­gie­wen­de zu einem Job­mo­tor gewor­den und wird in der Zukunft noch weit mehr siche­re Arbeits­plät­ze gene­rie­ren. Das wur­de auch in Nürn­berg am 29.07. 2014 deut­lich. Das Fest­hal­ten an den ver­al­te­ten (Kohle)Strukturen dage­gen wir die Arbeits­plät­ze hoch­gra­dig gefährden.

  2. Ja leu­te geht hin und erzählt die­se Wahr­heit die­sen profitgierigen
    Schmie­ren­kar­tell aus Poli­tik und Wirt­schaft ihr wer­det gar nicht vor­ge­la­den, Sehr gute und sach­li­che Aus­ar­bei­tung Frau Kemfert.
    Nur von Infor­mier­ten kom­men Veränderungen

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