Juraleitung trotz unzähliger Auflagen und nicht erfüllter Voraussetzungen raumverträglich? Wohl kaum.
Von Wolfgang Schmid
Wer meint, der Trassenbau sei durch Abschluss des Raumordnungsverfahrens (ROV) beschlossene Sache, liegt falsch. Das ROV hat keine rechtlich bindende Wirkung.
Siehe Aussage der Regierung von Mittelfranken: “Bei der landesplanerischen Beurteilung handelt es sich um ein fachbehördliches Gutachten zur Raumverträglichkeit. Eine abschließende Entscheidung über das Vorhaben ist damit nicht verbunden, diese ist dem nachfolgenden Planfeststellungsverfahren vorbehalten.”
In ihren Gutachten im Rahmen des Raumordnungsverfahrens (ROV) der Juraleitung haben die 4 betroffenen Bezirksregierungen den sogenannten Ersatzneubau der Juraleitung für raumverträglich erklärt, obwohl sie allein in der Zusammenfassung des Ergebnisses der landesplanerischen Beurteilungen auf 11 Seiten 65 Maßnahmen aufführen, von denen Tennet nicht entbunden ist, „die konkrete räumliche Ausgestaltung der einzelnen Maßgaben den einzelnen landesplanerischen Beurteilungen zu entnehmen.“
Angesichts so vieler Auflagen und Voraussetzungen ist die Hochrüstung der Juraleitung keinesfalls eine beschlossene Sache.
Das Gesamturteil „raumverträglich“ ist wohl nur mit dem politischen Druck zu erklären. Raumverträglich kann der Ersatzneubau allenfalls mit lückenloser und vollständiger Erfüllung aller auferlegten Maßnahmen werden.
Die hochgerüstete Stromleitung soll laut Tennet und den ROV-Gutachten im Wesentlichen entlang der bisherigen 220-kV-Trasse gebaut werden. Nur hierfür hat Tennet den Antrag auf Ersatzneubau gestellt, weil andere Trassenführungen, z.B. die Südtrasse durch Büchenbach, von Tennet als noch schlechter in Bezug auf deren Raumverträglichkeit beurteilt wurden.
BEDARF NICHT GEPRÜFT
Ob ein Bedarf für den Ersatzneubau der Juraleitung besteht, wurde im Gutachten des ROV überhaupt nicht geprüft, dies habe das Bundesbedarfsplangesetz bestätigt. Dass dieses unter maßgeblicher Beteiligung des Antragsstellers Tennet zustande gekommen ist, bleibt unberücksichtigt. Vielmehr wird behauptet, dass der 220-Kilovolt zu einer 380-Kilovolt-Leitung der überregionalen und regionalen Stromversorgung und der Erschließung und Nutzung erneuerbarer Energien diene. Eine Begründung wird hierfür nicht geliefert, Tennet wurde offenbar restlos vertraut und die vielen Argumente gegen diese Fake-News nicht berücksichtigt.
SCHWERWIEGENDE NACHTEILIGE AUSWIRKUNGEN
Immerhin steht im Gutachten der Regierungen: „Andererseits gehen mit dem Vorhaben […] eine Reihe von nachteiligen Auswirkungen einher […] , die […] zum Teil schwer wiegen […] und nur mit einer Reihe von Maßgaben mit den Erfordernissen der Raumordnung in Einklang gebracht werden können.“ (Aus dem Netzentwicklungsplan, Seite 33). „Die durch das Vorhaben verursachten Eingriffe” würden “durch den Rückbau der Bestandsleitung teilweise gemildert werden können.“
Diese schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen des Ersatzneubaus der Juraleitung versuchen die Regierungen mit zahlreichen Maßgaben abzumildern. Die wichtigsten Maßgaben sind u.a.:
KEINE BAUMASSNAHMEN VOR ABSCHLUSS DER UMSPANNWERK-VERFAHREN
„Mit Baumaßnahmen und auch bauvorbereitenden Maßnahmen (insbesondere Rodungen) darf insbesondere in den Unterabschnitten A1 und A2.4 erst begonnen werden, wenn die eigenständigen Verfahren zur Festlegung der Standorte der neuen Umspannwerke in Raitersaich und Ludersheim abgeschlossen sind, um eine Präklusionswirkung für die eigenständigen Verfahren zur Verlegung der Umspannwerke zu vermeiden.“
(Präklusionswirkung heißt in diesem Zusammenhang, dass sich der Leitungsbau für die zukünftigen Standorte der Umspannwerke auswirken würde. Dies ist zu vermeiden!)
Das Verfahren zum Umspannwerk Ludersheim hat noch gar nicht begonnen, also darf Tennet mit Baumaßnahmen und bauvorbereitenden Maßnahmen noch gar nicht beginnen! Dazu gehört der Leitungsbau im Bereich der Umspannwerke und auch Maßnahmen in größerer Entfernung zu den Umspannwerken, die sich nicht oder schwer rückgängig machen lassen, wie z.B. Rodungen, Schürfen des Untergrunds und Ähnliches.
„Im Erdkabelabschnitt bei Katzwang […] müssen mögliche Beeinträchtigungen in der Bewirtschaftung und kulturhistorischen Wertigkeit der Wässerwiesen zuverlässig ausgeschlossen sein. Bei Erdverkabelung in offener Bauweise ist durch geeignete Maßnahmen zuverlässig zu gewährleisten, dass signifikante Störungen der vegetationsführenden Bodenschichten zuverlässig vermieden werden.“ „Es ist nachzuweisen, dass der besondere Schutzzweck des FFH-Gebietes (FFH: Fauna-Flora-Habitat) auch nicht mittelbar durch hydrologische Einwirkungen beeinträchtigt wird.“
Neben diesen genannten Punkten gibt es noch etliche weitere, nach denen Tennet „zuverlässig“ etwas ausschließen oder „gewährleisten“ muss. Darüber hinaus fordern die Regierungen in unzähligen Punkten auf, zu „prüfen“, ob bestimmte Beeinträchtigungen durch den Ersatzneubau vermieden werden können.
KEINE POSITIVE LANDESPLANERISCHE BEURTEILUNG
Von einer „positiven landesplanerischen Beurteilung“, wie Tennet in ihrer Homepage schreibt, kann also keinesfalls die Rede sein. Der Eindruck, dass der Juraleitungs-Ersatzneubau gelaufen sei, den einige Zeitungen vermittelten, ist falsch.
Tennet hat viele Auflagen zu erfüllen, bevor das Planfeststellungsverfahren begonnen werden kann. Und im Planfeststellungsverfahren, dem eigentlich entscheidenden Verfahren, wird es viele Punkte geben, weshalb der Ersatzneubau der Juraleitung auch hier nicht durchgeführt werden kann.
LEISTET WEITER WIDERSTAND
Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, weiter Widerstand zu leisten, zum Beispiel mit Betretungsverboten und der regen Teilnahme an Mahnwachen und Protestaktionen!